l’Alt Empordà: Auf verschlungenen Pfaden durch die Dämmerung

l’Alt Empordà: Auf verschlungenen Pfaden durch die Dämmerung

Schon mitten am Nachmittag, andernorts ist man noch mit dem Arroz oder den Gambas beschäftigt, beginnt sich ein heimeliger Schatten über den kleinen Ort zu legen, der da, eingeklemmt zwischen Bergen im Norden und Bergen im Osten, nahe einer Regionalstraße liegt, die nicht viel mit nicht viel mehr verbindet. Eine paar Stunden später kommt Leben in die Bude, die Bewohner spazieren vom Unterdorf ins Oberdorf oder aber von oben nach unten und dann wieder nach oben. Manche machen an der einzigen Kneipe des Ortes Station, um mit den anderen Vecinos des Dorfes über Wetter, Ernte oder Politik zu schwatzen. Es ist ein Rentnerdorf, wie so viele im Norden, junge Leute wohnen in den nicht sonderlich weit entfernten größeren Orten. Gerade einmal einhundert und siebzig Menschen wohnen hier, vor hundert Jahren waren es über fünfhundert. Ein paar Weinbauern beackern noch ihre Schollen, aber ansonsten gibt es hier nicht viel zu tun. Das war nicht immer so!

Dinge waren anders gelagert, als es zwischen Spanien und Frankreich hoch her ging. Im Jahr sechzehnhundert neunundfünfzig zog der Vertrag der Pyrenäen eine Grenzlinie, der Schmuggel begann dann aber erst richtig. Denn viele Dinge waren mit hohen Zöllen belegt, de-strankis Import, so etwas wie Handel auf Umwegen, war en vogue. Und dafür eigneten sich die schmalen Täler im Norden des Ortes, die spanischen Grenzer hatten keine Chance, die französischen Grenzer wohl keine Lust. Tabak, Tee, Kaffee, aber auch handfeste Dinge wechselten von einer Seite auf die andere. Irgendwann endete dieser Schluchtenwarenverkehr, das Dorf versank in diffuser Vergessenheit.

Während, vor allem aber am Ende des bislang letzten spanischen Bürgerkrieges wurde das Dorf dann doch noch einmal wichtig. Dieses Mal wurden indes keine Waren geschmuggelt. Auf den gleichen Wegen wie damals flüchteten viele Republikaner über den Coll de Banyuls in das von dort gerade einmal zehn Kilometer entfernte Banyuls-sur-Mer. Francos Schärgen hatten keine Chance. Unweit vom Grenzstein auf der Passhöhe erinnert eine Gedenktafel an diese Zeit.

Nicht einmal die Gründung der D.O. Empordà hat dem kleinen Ort geholfen; die Cooperative des Ortes hatte schon viel früher ihre Kelter verriegelt. Es dauerte viele Jahre bis sich wieder eine Kellerei in Rabós de l’Empordà ansiedeln würde, aktuell sind es derer zwei, aber nur eine davon, Celler Castelló Murphy, ist wirklich im Ort anzutreffen. Die andere, Celler d’en Guilla, findet man an der oben bereits beschriebenen Landstraße.

Empordà, genauer gesagt l’Alt Empordà, ist eine seltsame Weinbauregion. Viele Menschen durchfahren sie, da man von La Jonquera gen Girona, Barcelona oder die katalanische Küste nun einmal durch Empordà muss. Aber wer nahe Figueres das erste Mal auf die Bremse tritt, ist schon wieder draußen. Wer an der Ahr war, und weiß, dass er da war, der war nicht an der Ahr…

Dabei ist es eine der ältesten Weinbauregionen der Iberischen Halbinsel, in Rosés siedelten Griechen, vor allem aber Römer, sie brachten Rebstöcke mit. Die Bucht von Rosés ist ein geschützter Platz, die hohen Berge im Westen schirmen alles Unheil ab, das vom Meer kommt.

Lange Zeit wurde die D.O. Empordà als das Gegengewicht zum Priorat gehandelt. Menschen, ausgestattet mit einem latent oberflächlichem Blick meinten, dass Garnacha, Norden sowie Granit ausreichen würden, um ein Gegengewicht zu Garnacha, Schiefer und Süden zu erfinden. Kwark!

Abgesehen von ein paar speziellen Ecken wie das Cap de Creus, die Ostküste zwischen Llança und Portbou sowie ein paar versprengt herumliegende Weininseln im Westen von Figueres, ist l’Alt Empordà ein in sich geschlossenes, kompaktes Weinbaugebiet. In der Mitte ist flaches Land, ein paar Hügel mischen die Gegend auf, Reben stehen auf Lehm oder Schwemmland, dann und wann mit dichter Steinauflage. Mollet de Perelada, Masarac, viel mehr ist da nicht.

Alles andere spielt sich an den Hängen ab. Und die sind eben nicht in steile, enge Täler gepresst wie in Porrera oder La Vilella Baixa, sondern fallen mehr oder weniger offen gen Süden respektive gen Westen ab. Der Punkt des Wechsels ist Rabós de l’Empordà. Von dort zieht sich das Gebirge südwärts gen Rosés, oder halt gen Westen, gen La Jonquera. Die Geologie hat Rabós auch noch aus einem anderen Grund bekannt gemacht. Denn, auch wenn viele Menschen von Granit und Empordà faseln, der Großteil der Hänge besteht aus Schiefer. Von Rabós gen Westen, bis nach Capmany, von den Einheimischen Capmain ausgesprochen, gibt es eher roten, öligen Schiefer. Rabós gen Süden, also Vilamaniscle, vor allem aber Garriguella, Pau und die anderen kleinen Dörfer im Osten von L’Alt Empordà, basieren auf schwarzem Schiefer.

Und Granit? Findet man im Cap de Creus sowie zwischen Capmany, sorry, Capmain, und Cantallops. Und Punkt. Mehr ist da nicht. Denn westlich von Capmany gibt es lehmhaltigen Sandstein, teilweise mit Bruchstein übersät. Nimmt man die Dinge genau, wir Bären tun dies, dann kann man sich von der Idee Empordà mit einem Basisterroir zu beschreiben, ganz schnell verabschieden.

L’Alt Empordà, das ist Garnacha und Cariñena. Vielleicht noch etwas Moscatel de Frontignan, etwas Malvasía, welcher auch immer, und Monastrell. Alles andere ist zugezogen und hat mehr oder weniger große Unruhe gestiftet. Der unselige Spruch von José Lúis Pérez „wer auf internationalen Märkten erfolgreich sein will, muss international bekannte Sorten anbauen“ hat hier noch mehr Schaden angerichtet als im Priorat. Nicht nur, dass Katalonien mit banalen Weinen überschwemmt wurde, diese zwanzig Jahre groben Unfugs verzögerten auch den Fortschritt in Sachen Garnacha und Cariñena. Manch gute Parzelle wurde gerodet, um seelenlosen Merlot anzubauen. Insbesondere Garnacha gris (roja) und Garnacha blanc sowie die gleichen Typen in Sachen Cariñena kommen erst jetzt langsam aus der Deckung. Vor allem Cariñena ist spannend. Das gilt auch für die Rotweine: Garnachas sind meist brav und gut trinkbar, die wenigen wirklich spannenden Weine der Region bestehen immer zu großem Teil aus Cariñena. Dies gilt aber nur, solange wir über trockene Weine philosophieren.

Die wahren Schätze der Region sind von anderer Natur, die wirklich spannenden Weine der Region unterscheiden sich von den Süßweinen aus Banyuls oder dem Roussillon vor allem hinsichtlich des Preises, die Qualität der Soleras ist extrem hoch. Das, was Joan Fabra, Pep Guardiola (nein, nix Fußball) oder die Cooperative aus Espolla auf den Tisch stellen, ist schon spannend. Nur: keiner kennt das, keiner kauft das, und dann werden Spitzenprodukte eben verschleudert.

Das hat natürlich auch etwas mit der Struktur der Region zu tun. Denn auch wenn es hier und heute nicht weniger als sechsunddreißig Weingüter gibt, die Weine aus L’Alt Empordà anbieten, so ist international genau eine Bodega bekannt: Castillo Perelada. Hier entsteht viel Wein, sehr viel Wein, und nicht nur der Tafelwein Blanc Pescador, einer der zwei wichtigsten spanischen Weißweine. Perelada kauft alles auf, was angeboten wird. Die ehemalige Bodega Oliver Contí, zum Beispiel. Sie wurde gegründet, als man glaubte, die Menschen würden Bordeaux-Blends aus Katalonien mögen. Mögen sie aber nicht. Die Cooperative aus Mollet de Perelada wurde ebenfalls geschluckt und neuerdings kauft man bei Espelt all das auf, was die nicht selbst verkauft bekommen.

Aber Castillo Perelada trägt zumindest einen Namen in die weite Weit. Die Nummer zwei der Region kann nur billichchch: Empordália, ein Zusammenschluss von drei Genossenschaften. Hier werden simple gestrickte, billige Weine am laufenden Band abgefüllt. Spannend geht anders.

Neben Espelt, unter den Großbodegas vielleicht die beste, gibt es noch drei oder vier weitere Kellereien, die zwischen zweihundert tausend und einer halben Million Flaschen abfüllen. In der Regel sind es schlichte Weine, die vor allem in der Region getrunken werden.

Wie immer, so muss man sich auch in Empordà durch die kleinen Bodegas kämpfen, vieles verkosten, manches verwerfen, manches besser nicht in den Mund nehmen. Denn noch immer gibt es hier eine nicht gerade kleine Zahl von rustikalen Weinen, traditionell, wenn man höflich sein will, altmodisch, falls nicht. Zu viel Alk, zu viel aufgesetzte Frucht, Weine, von denen man schon nach einem halben Glas genug hat. Spätestens.

Der erste, der vor mehr als zwanzig Jahren Leben in die Bude brachte, war Jaume Serra. Er kam aus Bordeaux zurück und wollte in Cantallops Empordà-Weine mit Bordeaux-Kellertechnik machen. Das gelang nur bedingt. Da er aber auch diverse Weingüter beratend begleitete, setzte sich der Stil der etwas dicklichen Empordà-Weine durch. Fast bis heute. Denn die einzige kleine Bodega, die mit guten Qualitäten dagegenhalten konnte, was und ist immer schnell ausverkauft: Celler Martí Fabra. Verd de l’Albera Flor d’Albera, aber vor allem die Lagenweine des nun schon über einhundert Jahre zählenden Weingutes sind schon außergewöhnlich. Keine banalen Weine, insbesondere die Rotweine kann nicht mal eben so wegsüffeln. Richtig gut sind die auf Garnacha basierenden Süßweine, da kommt sonst keiner in der Region mit.

Alle anderen, die danach kamen, begannen erst einmal mit viel CabMeSy und Chardonnay, einige haben sich inzwischen freigeschwommen, andere werden das nie schaffen, oftmals auch, weil sie das nicht schaffen wollen. Vinyes dels Aspres hat Fortschritte gemacht, Vinyes d’Olivardots, gerade von dem aktuellen Parker-Verkoster Luis G. etwas „gehypt“, ist so schlecht nicht. Roig Parals hat mit den Lagenweinen Camí de Cormes zwei erstklassige Lagenweine am Start, dazu kommen noch die auf Garnacha basierenden Basisweine Mallolet.

Und dann sprießt immer mal wieder ein Grashalm aus roher Erde. Celler Pujol Cargol etwa, der bei d’Olivardots tätige Önologe macht dies, oder aber Celler d’en Guilla, auch die oben schon erwähnte Bodega Celler Castelló Murphy. Jordi Esteve ist der letzte in einer noch viel zu kurzen Reihe. Alle diese neuen Projekte versprechen viel und halten das Eine oder das Andere. Auch da gibt es schlichte oder schlampig gemachte Weine, nicht alles ist Gold. Aber ein jeder muss eben seinen Weg erst einmal finden. Und dieses Mal bedarf es nicht der Dämmerung in Rabós de l’Empordà. Text: El oso alemán

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