Ahr

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Ganz Deutschland wird von Weißwein dominiert. Ganz Deutschland? Nein! Ein kleines Flusstal hört nicht auf, fleißig herausragenden Rotwein zu keltern! Ziemlich genau in der Mitte zwischen Köln und Koblenz ist es gelegen, und ja, die Dominanz roter Rebsorten ist mit einem Verhältnis von 80 zu 20 schon besonders ausgeprägt. Das größte geschlossene Rotwein-Anbaugebiet auf deutschem Boden ist es, und das mit gerade einmal 562 Hektar Gesamtfläche auf einer einzigen Großlage. Das Ahrtal ist recht eng, was normalerweise den Zustrom wärmender Winde vom östlich gelegenen Rhein her begünstigt und die Wärme auch in den Nächten am Grund des Tales hält. Gerade diese Geografie führte am 14. Juli 2021 aber auch zur Katastrophe: das sonst so beschauliche Flüsschen - normalerweise kann man mit umgeschlagenen Hosenbeinen hindurchwaten - erreichte einen Pegel von fast sieben Metern und riss in einer unaufhaltsamen Schlammwalze alles mit sich, was ihm in den Weg kam. Anders als etwa das benachbarte Mittelrheintal ist das Ahrtal sehr dicht besiedelt, dementsprechend waren es am Ende gerade einmal vier von 50 Winzerbetrieben, die es nicht traf.

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Im Detail

Ahr

 

 

 

Der Rest verlor einen Großteil des eigentlich heiß erwarteten Jahrgangs 2020, der noch in den Tanks lagerte. Die wenigen schon auf Flasche gezogenen Weine, die die Katastrophe überstanden hatten, wurden als „Flutwein“ und „Schlammpagner“ vermarktet. Für die schmutzverkrusteten Zeugen der Naturgewalt wurden hohe Beträge gezahlt, nicht aus Sensationslust, sondern aus herzlicher Solidarität mit Winzern, die über Nacht vor den Trümmern ihrer über Generationen gewachsenen Betriebe standen. Ein Zehntel der Rebfläche wurde komplett zerstört; ob hier in absehbarer Zeit wieder Wein wachsen kann, muss sich erst noch zeigen. Und die Liste der Probleme ist noch deutlich länger: aufgrund der hohen Staubbelastung durch die Aufräumarbeiten ist an eine hygienische Verarbeitung der Trauben vor Ort oft noch gar nicht zu denken. Auch das zwecks Verhinderung von Seuchen gechlorte Trinkwasser ist den Winzern nicht geheuer, kann es doch dafür sorgen, dass der Wein später korkig schmeckt. Die Ahrtaler Winzer hatten es im Laufe der Geschichte nie besonders leicht: entweder sie hatten Wein, aber keine Abnehmer dafür, oder sie konnten die Nachfrage kaum bedienen.

 

 

 

Die geografische Nähe zum mittelalterlichen Territorialherrn, dem Kurfürstentum Köln, brachte es mit sich, dass der Klerus die besondere Finesse des Ahrweins schnell auf dem Schirm hatte und entsprechend große Mengen davon für sich beanspruchte. Mit der Kirche lief es so einigermaßen, ohne sie erst einmal gar nicht: gegen Ende des 18. Jahrhunderts besetzte Napoleon die linke Rheinseite. Die Franzosen brachten durch die von ihnen betriebene Säkularisation nicht nur massive Unordnung in das bisherige System der vor allem geistlichen Herrschaft über den Weinbau, sondern überschwemmten den Markt zusätzlich noch mit ihren eigenen Erzeugnissen, die sich günstiger herstellen ließen und zudem noch deutlich alkoholischer waren. Auch viele bisherige Abnehmer in Klöstern und Fürstenhöfen verloren ihren Einfluss und konnten keine großzügigen Bestellungen mehr aufgeben. Die Pflicht, Abgaben nun in Münzform zu entrichten und nicht mehr über Naturalien sowie massive Missernten in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts taten ihr Übriges und führten ebenso wie die Mode der Zeit, künstlich gesüßte und mit allerlei Gewürzen versetzte Weine zu konsumieren, dazu, dass viele Winzerfamilien ihrer Heimat den Rücken kehrten und ihr Glück in Übersee suchten.

 

Als es dann in den 1860ern mit der Produktion endlich wieder bergauf ging, eine Wirtschaftskrise aber den Absatz behinderte, waren die verbliebenen Winzer es endgültig leid. Sie erkannten, dass sie auf sich allein gestellt kaum eine Chance gegen die Konkurrenz mit ihren viel größeren Weingütern haben würden und gründeten daraufhin 1868 die Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr. Die Idee machte schnell Schule, bis Ende des Jahrhunderts wurden fast zwei Dutzend solcher Zusammenschlüsse nach dem von Raiffeisen erfundenen Prinzip besiegelt. Auch heute noch sind 90 Prozent der Ahr-Winzer in Genossenschaften organisiert, eine Konsequenz der meist sehr kleinen Parzellen, die eine Alleinvermarktung unrentabel machen - und dabei sprechen wir heute schon von einer deutlich entspannteren Situation als noch vor einigen Jahrzehnten. Denn obwohl die Flurbereinigungen nach dem Zweiten Weltkrieg dem deutschen Weinbau viel von seiner Ursprünglichkeit genommen haben, waren sie dennoch nötig, um aus Abertausenden winzigen Parzellen mit manchmal nicht einmal 200 Quadratmetern wieder Flächen zu machen, die wenigstens einigermaßen konkurrenzfähig sind, auch wenn auf vielen steilen Terrassen in 200 bis 300 Metern Höhe nach wie vor Handlese praktiziert wird. Während der Lesezeit zuzusehen, wie die Erntehelfer stundenlang durch den schrundigen Fels klettern, um den häufig nur in kleinen Grüppchen zusammenstehenden Rebstöcken eine Butte voll Trauben abzuringen, ist eine wahre Offenbarung. Nicht ganz günstig sind die hochwertigeren Roten dann auch - andererseits aber doch, wenn man sie mit ihren französischen Äquivalenten vergleicht, die oft genug reines Spekulationsobjekt sind und obendrein erst nach etlichen Jahren trinkreif. Mutige Sommeliers erkannten in den 90ern das enorme Potential und begannen, hier und da mal einen Pinot Noir von der Ahr zwischen all den französischen Grand Crus auf den Speisekarten feiner deutscher Restaurants zu platzieren.

 

Zwar gibt es nur etwas mehr als eine Handvoll wirklicher Spitzenbetriebe an der Ahr, deren Betreiber haben ihr Handwerk aber von der Pike auf gelernt: oft übernahmen sie bis dahin sehr hemdsärmelig geführte Weingüter ohne große Ambitionen. Sich Inspiration von außen holen? Bitte nicht, für’s Weinfest reicht’s ja. Die Jungen waren da anders, reisten nach Burgund, experimentierten mit verschiedenen Fässern und Klonen herum. Das setzte letztlich eine schleichende Qualitätssteigerung in Gang, zunächst bedingt durch die Verdrängung des sehr reich tragenden Blauen Portugiesers, der aktuell nur noch als einfacher Schoppenwein eine Bedeutung hat. An seine Stelle traten erst Spät-, mittlerweile auch dessen Mutation Frühburgunder, der etwas eher zur vollen Reife kommt und daher immer mehr Fläche erobert. Beide sind in Standortwahl und Pflege anspruchsvoll und liefern nur eine geringe Ernte, die von besonders ambitionierten Winzern noch bewusst reduziert wird, wenn sie kurz vor Lesebeginn einen guten Anteil Trauben aus den Stöcken herausschneiden, damit die verbliebenen umso mehr Kraft aus dem Schlussspurt ihres Wachstums ziehen können. Außergewöhnlich warm ist es hier zwar nicht, und auch die Sonnenstunden sind nicht allzu zahlreich, aber die Südausrichtung vieler Lagen und die lange Vegetationsperiode von über 120 Tagen tun das Nötige.

 

Die hunderttausenden Touristen, die Jahr für Jahr die malerischen Wanderrouten zwischen Altenahr und Heimersheim entdecken, sind sicherlich nicht alle angetan von den Erzeugnissen der Winzer an der Strecke: zwar keltern die Genossenschaften noch immer recht gefällige Massenweine, die Qualitätsweingüter heben sich aber schon recht deutlich von dem ab, was man sonst aus Deutschland so gewohnt ist. Verantwortlich dafür ist eine Zutat, über die die Wanderer während ihrer Tour wohl gestaunt haben mögen, wenn sie als imposante Felsformation wie etwa der „Bunten Kuh“ bei Walporzheim daherkam, ansonsten aber mehr oder weniger achtlos hinweggeschritten sind: die kargen Böden aus verwittertem Schiefer und dem vulkanischem Gestein der das Gebiet vor zu harscher Witterung schützenden Eifel. Beides speichert tagsüber die Sonnenwärme und gibt sie nachts zuverlässig an die Reben zurück.

 

 

Den Spätburgundern mit ihrem dezenten Himbeerhintergrund beschert der Schiefer eine rauchig-steinige Note. Hinzu kommt eine aufgrund der Lage sehr nah an der nördlichen deutschen Weinbaugrenze nicht zu unterschätzende Säure. Manche Winzer, die ihren Kunden eher samtig-schmeichelnde Weine bieten wollen, greifen daher auf das Prinzip der malolaktischen Gärung zurück, bei der Bakterien die im Rotwein enthaltene Apfelsäure in Milchsäure umwandeln. Überbordende Fruchtaromen sucht man eher vergeblich, dafür wird man oft mit wunderbaren Barrique-Untertönen verwöhnt. Auch diese Technik geriet durch die Flutkatastrophe in große Gefahr, wurden doch viele Fässer dauerhaft unbrauchbar. Nun kann ein Winzer nicht einfach fabrikneue Fässer ordern, ohne den Weinen dadurch einen völlig anderen Geschmack aufzuprägen. Gefragt sind solche, die schon seit Jahren in Benutzung sind und eine schöne Patina angesetzt haben. Diesmal waren es nicht die Kunden, sondern befreunde Winzer aus dem In- und Ausland, die den Kollegen helfend zur Seite sprangen, damit die neuen Jahrgänge möglichst ohne Qualitätseinbußen anschließen können. Und zur Not muss man mit Weißwein überbrücken: in den unteren Lagen in direkter Flussnähe wird der Schiefer meterhoch von Lösslehm überlagert, der insbesondere dem Riesling eine kühle Würzigkeit verleiht. Klar, man kann in dieser Angelegenheit nicht bei den Großen mitspielen, mit Rheingau und Mosel, aber das muss man ja auch nicht, man hat seine Nische in anderen Spezialitäten gefunden. Zum Beispiel dem Blanc de Noir, oder, wenn man den althergebrachten Begriff verwenden möchte, Weißherbst. Schon seit dem 17. Jahrhundert kennt man ihn hier, damals unter dem Namen „Ahrbleichert“. Früher machte man sich nicht die Mühe, den Most roter Trauben lange auf den Schalen liegen zu lassen, verarbeitete also egal welche Burgundertraube auf die gleiche Weise, nämlich nach Art eines Weißweins.

 

Klingt ein bisschen uninspiriert, gar faul? Nein, das sind die Ahrtaler mit Sicherheit nicht! Eher ein wenig stur. Das Schicksal legt uns Steine in den Weg? Egal, wir rollen sie beiseite und machen weiter. So geht das schon seit Jahrhunderten, so läuft es auch aktuell. Winzern am Polarkreis, wie man sich früher über die Grenzlage lustig machte? Man schließt die Augen, nimmt einen tiefen Schluck Spätburgunder, hält sein Gesicht in die Sommersonne über der Ahr und lächelt milde.

 

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