Venetien

Venetien

Jede Weinbaunation braucht dieses eine Gebiet, das richtig viel abwirft, um all die durstigen Kehlen im Land zu befeuchten. Deutschland hat Rheinhessen, Frankreich Languedoc, Spanien die Mancha. Und Italien hat Venetien. Damit keine Missverständnisse aufkommen: hohe Lesemengen bedeuten hier keineswegs, dass die Qualität nicht stimmt, sondern dass man auf kluge Weise geschmackliche Trends erkannt oder sogar selbst gesetzt hat - in Italien und kein bisschen weniger auch international. Zwar ist das Veneto, wie die Einheimischen es nennen, mit seinen etwa 75 000 Hektar nicht wirklich das größte Weinbaugebiet Italiens, Apulien und Sizilien legen noch einen drauf. Aber es produziert aufgrund der hohen Hektarerträge die größte Weinmenge. Und wer sich in irgendeiner Weise mit italienischen Weinen auseinandersetzt, wird einfach nicht vorbeikommen an den hiesigen Tropfen, die von einfachen Alltagsqualitäten bis zu exklusiven Charakterköpfen für jeden Anlass etwas zu bieten haben.

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Im Detail

Venetien

Das gilt, eine Seltenheit für Italien, für Rot- und Weißweine gleichermaßen, ja man könnte fast so weit gehen zu behaupten, die Weißen hätten hier die Nase vorn. Schwer nicht nur, „den einen“ Wein zu benennen, der stellvertretend für die äußerst vielfältige Region stehen könnte, sondern überhaupt erstmal einen Anfang zu finden. Machen wir es wie beim Essen und beginnen mit etwas Sprudelndem als Aperitif. Wie könnte man die Apenninhalbinsel erklären ohne den Prosecco, der mit seinem Prickeln wie der Getränk gewordene Ausdruck italienischer Unbekümmertheit und Lebensfreude erscheint? Überall auf der Welt kennt man ihn, und nicht selten werden sogar spanischer Cava, französischer Cremant oder deutscher Sekt fälschlicherweise unter diesem Begriff subsumiert. Doch wie es so oft geschieht, ist der Prosecco Opfer seines eigenen Erfolgs geworden: Anfang der 2000er bekam man ihn als Landwein etikettiert schlicht hinterhergeworfen - denn Prosecco konnte jeder auf seine Flasche schreiben, der mit den entsprechenden Trauben arbeitete. Zähneknirschend beobachtete man in Venetien den Ausverkauf eines einst hochangesehenen Namens als Ramschprodukt. Also wurde durchgegriffen: den Anbau derjenigen Weine, die sich fortan Prosecco nennen durften, schränkte man auf wenige Provinzen nördlich von Treviso ein. Gleichzeitig wurde die Rebsorte in die deutlich prosaischer klingende Glera umbenannt - womit es nun nicht mehr möglich ist, einen Prosecco als auf billigste Weise produzierten IGT zu verkaufen. Diese Qualitätsoffensive hat ihm gutgetan und vermag eine Blaupause dafür sein, wie man in Zukunft das von Kennern immer noch leicht belächelte allgemeine Niveau des venetischen Weines weiter steigern könnte. Es gibt Prosecco übrigens nicht nur als schäumenden Spumante und feinperligen Frizzante, sondern ebenso als Stillwein, in dem sich das Bukett von Apfel und Birne, nussig unterlegt und mit leicht bitterem Abgang, vielleicht sogar am besten entfaltet. Zugleich ist Prosecco neben Pfirsichpüree die Hauptzutat des Signature-Cocktails Venetiens, des Bellini - entwickelt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Harry’s Bar in der Nähe des Markusplatzes.

Womit wir direkt beim Thema wären: das Veneto ist benannt, das lässt sich leicht herleiten, nach der größten Stadt der Region, die gleichzeitig deren Kapitale ist: die altehrwürdige Lagunenstadt Venedig. Als diese noch eine eigenständige Adelsrepublik war, bildete das heutige Venetien deren Hinterland. Dank der traditionsreichen Glasbläserindustrie von Murano hatte man, während die Anderen noch Tonkrüge nutzten, ein verpackungstechnisches Alleinstellungsmerkmal, das einen guten Absatz der heimischen Reben garantierte. Weine für den eigenen Konsum hingegen importierte man vorwiegend - vor allem Malvasia aus Griechenland. Aber nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen verlor man die Vorherrschaft im östlichen Mittelmeerraum und es ging langsam, aber stetig bergab mit der mächtigen Seefahrernation. Nach einer Weile ergriff Österreich seine Chance und verleibte sich die Ländereien ein. Ein kurzes Intermezzo als Marionette des napoleonischen Frankreichs änderte nichts daran, dass die Habsburger mehr als ein halbes Jahrhundert den Ton angaben: wer die Sissi-Filme gesehen hat, wird sich an den darin gezeigten Besuch des Kaiserpaares in Venedig und die ihm gegenüber äußerst feindselige Haltung der Venezianer erinnern. Auch mit dem italienischen Nationalstaat wurde man nicht recht warm: dass man nach der Niederlage Österreichs gegen Preußen in der Schlacht von Königgrätz wieder an Frankreich fiel - einerlei. Dass man dann aber als reine Verfügungsmasse, als bloßes Tauschobjekt herhalten musste, dass Frankreich an Italien abtrat, um dafür im Gegenzug Savoyen und Nizza zu erhalten, kränkte die stolzen Venezianer massiv. Separatistische Strömungen gibt es darum wie in ganz Norditalien bis zum heutigen Tag.

Doch die Eingliederung ins nationale Gefüge brachte für Venetien auch Vorteile: im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs der Nachkriegszeit wandelte sich die kleinbäuerlich geprägte Region zu einem Zentrum der Industrialisierung: riesige Betriebe drängten in die Landwirtschaft und veränderten die traditionellen agrarischen Strukturen hin zur hochprofitablen Plantagenwirtschaft. Gleichzeitig nahm der Tourismus rasant an Fahrt auf und damit auch schnell Debatten darüber, wie viel Auswärtige die Region pro Saison verkraften kann, ohne am eigenen Ausverkauf mitzuarbeiten. Und obwohl die Angst Venedigs vor dem eigenen Untergang fast so alt sind wie die Stadt selbst, hat die Diskussion in den vergangenen Jahren an Schärfe gewonnen angesichts gigantischer Kreuzfahrtschiffe, die wie UFOs in der Lagune ankern. Immerhin müssen Tagestouristen seit einiger Zeit ein Eintrittsgeld für den Besuch der Stadt entrichten und viele Reisende, besonders jene, die eher für den Wein kommen, lassen die überlaufenen Hotspots links liegen und wenden sich eher Netzwerken wie „I borghi più belli d’Italia“ oder Cittàslow zu, in denen kleinere Gemeinden wie das malerische, im Prosecco-Gebiet gelegene Asolo organisiert sind.

Neben dem die Adriaküste dominierenden Venedig hat sich auch das im Landesinneren gelegene Verona als quirlige junge Universitätsstadt zum touristischen Magneten gemausert. Ebenso wie die venezianische steht auch die veronesische Altstadt als Welterbe unter dem Schutz der UNESCO, und wo dort Kanäle und Adelspaläste locken, sind es hier vor allem die architektonischen Überbleibsel der römischen Antike, insbesondere die Arena, in welcher jeden Sommer die international bekannten Opernfestspiele veranstaltet werden. Wer kein Freund der klassischen Musik oder einfach nur zur falschen Jahreszeit da ist, der wird sicherlich einen Blick auf die andere große Sehenswürdigkeit der Stadt werfen: den gotischen Balkon der Casa di Giulietta, in welcher die als Vorbild für die Capulets dienende Familie in Shakespeares Drama „Romeo und Julia“ einst lebte. Auf dem Vorbau lässt der Dichter seine Protagonistin die schmachtenden Worte sprechen, mit denen sie ihr Liebesleid beklagt, und oft bilden sich hunderte Meter lange Schlangen aus all jenen, die die rechte Brust der Julia-Statue im Garten berühren wollen, was angeblich Glück bringt, oder Hilfe in Beziehungsangelegenheiten suchen und deshalb Briefchen mit ihren Problemen zurücklassen, die von fleißigen Freiwilligen beantwortet werden.

 Nun aber endlich wieder zum Wein zurück! Benannt nach einem kleinen Städtchen östlich Veronas ist der Soave. Er besteht zum großen Teil - mindestens 70 Prozent ist Pflicht - aus der autochthonen, schon seit vielen Jahrhunderten bekannten Garganega, die zwar erst spät reift, dafür aber zuverlässig hohe Erträge liefert. Ergänzt wird sie meist um Trebbiano und Chardonnay. Wie die meisten Weißweine des Veneto kommt er eher säurearm daher und eignet sich daher optimal, wenn man als größere Runde einen Kompromisswein sucht, mit dem alle gut bedient sind. Das feine Zitrusaroma und die Mandelwürzigkeit entschädigen Säureliebhaber meist sehr schnell. Manche Winzer erklären den Namen des Soave damit, dass im Mittelalter von Norden her eingewanderte Schwaben ihn zuerst kelterten, und in der Tat weist sein sanfter Charakter eine gewisse Ähnlichkeit mit den süffigen Weißweinen Württembergs auf, aber deutlich wahrscheinlicher hat man einfach nur den italienischen Begriff für „sanft“ oder „mild“ auf ihn übertragen.

Begeben wir uns vom Soave-Gebiet aus Richtung Nordwesten, gelangen wir in die Heimat des roten Valpolicella. Der klangvolle Name bedeutet übersetzt „Tal der vielen Keller“, in denen die Weine früher gelagert wurden. Auch heutzutage produziert man Riservas, die eine bemerkenswerte Komplexität an den Tag legen. Der Großteil der Weine jedoch ist für den unkomplizierten Genuss als Jungwein konzipiert und harmoniert mit seiner nussigen Note perfekt mit den aromatischen, aber dennoch eher leichten Gerichten der regionalen Küche. Ihm sehr ähnlich ist der Bardolino, der nicht nur durch seinen verspielten Namen das Zeug zu Everybody’s Darling hat, sondern noch mehr durch seine ausgeprägte Kirschfrucht. Beide Rotweine werden aus autochthonen Trauben gekeltert: der Corvina Veronese, der Rondinella und der Molinara - je nach Mischverhältnis dominieren andere Nuancen den Wein. Allen dreien ist neben ihrer späten Reife mehr oder weniger gemein, dass sie zwar arm an Gerbstoffen, dafür aber reich an Säure sind. Und eine sehr dunkle Färbung aufweisen: so hat die Corvina ihren Namen von der Ähnlichkeit mit dem Gefieder des Raben, die Rondinella von jener mit dem Federkleid der Schwalbe. So gut die Reben im Zusammenspiel funktionieren, so schwierig gelten sie als Solisten: sortenrein ausgebaut wird man sie kaum finden.

Nicht nur der Städtetourismus lockt, auch die Natur hat viel zu bieten: mit dem Gardasee das größte und wohl bekannteste Gewässer ganz Italiens - und von Verona nur einen Katzensprung entfernt. Grenzt das Bardolino-Gebiet im Osten an ihn, lässt sich südlich die Heimat eines Weißweines verorten, der sich in der deutschen Gastronomie besonderer Beliebtheit erfreut - des Lugana. Seine DOC ist so groß, dass sie in zwei verschiedenen Anbaugebieten liegt: neben Venetien auch noch in der Lombardei, mit der man sich auch den Gardasee jeweils etwa zur Hälfte teilt. Der Wein, der in den letzten Jahren dem Pinot Grigio den Rang als Favorit der Deutschen zu leichteren mediterranen Speisen abzulaufen drohte, hat aus genau diesem Grund - als Kultwein der Masse sozusagen - ein vergleichsweise hohes Preisniveau, das bei gut gemachten, finessereichen Vertretern durchaus gerechtfertigt sein kann, es aber im Basisbereich nicht immer ist. Hinter ihm steckt die Rebsorte Trebbiano - dank ihres Ertragsreichtums ist sie die meistangebaute nicht nur Italiens, sondern auch Frankreichs, wo sie allerdings eher zu Hochprozentigem wie Cognac und Armagnac verarbeitet wird - kaum zu glauben, dass zwei so unterschiedliche Getränke ein und denselben Ursprung haben. Der Lugana profitiert besonders vom Temperaturschwankungen ausgleichenden Charakter des 370 Quadratkilometer großen Gewässers - im heißen Sommer schickt er eine kühle Brise übers Land, im Winter dient er als Wärmespeicher und mildert die Kälte der Umgebung.

Wie ganz Italien ist auch Venetien von den klimatischen Auswirkungen zweier Faktoren beeinflusst: des Wasser und der Berge. Diese wirken sich allerdings noch einmal in deutlich stärkerer Weise aus als in vielen anderen Regionen. Was im Westen der Gardasee mit seiner Fläche größer als die Stadt München, ist im Osten die 150 Kilometer lange Adriaküste, welche mit ihren Wassertemperaturen von im Sommer gern mal 24 Grad der Gegend um Venedig ein gemäßigt mediterranes Klima verleiht. Ganz anders geht es in der Provinz Belluno im Norden zu, wo Venetien bis an die österreichischen Bundesländer Kärnten und Tirol heranreicht. Hier bestimmen die schroffen, teils über 3000 Meter hohen Dolomiten das Bild, besonders deren berühmteste Formation, die Drei Zinnen. In diesem hochalpinen Klima gedeiht zwar kein Wein, dafür kann man im ehemaligen Olympia-Austragungsort Cortina d’Ampezzo hervorragend Wintersport betreiben. Kaum ist man im Tal angekommen, präsentiert sich die Luft aber herrlich mild: die Berge halten kalte Winde, Starkregen und andere Unwetter fern und ermöglichen unerschrockenen Winzern Weinbau mehrere hundert Meter über dem Meeresspiegel, auch wenn die Erträge aufgrund der steinigen Untergründe, die kaum Wasser halten können, ähnlich gering bleiben wie in vielen Teilen des benachbarten Südtirol. Dafür geraten sie in den kalkreichen Voralpen charakterstärker als in der flachen, sehr fruchtbaren Po-Ebene im Süden, wo die Reben dank nährstoffreicher, wasserspeichernder Lehm- und Schwemmlandböden deutlich leichteres Spiel haben. Hier wird vor allem auf Masse mit viel Fruchtaromatik, allerdings ohne allzu hohen Wiedererkennungswert gesetzt: kilometerweit ziehen sich die eng bepflanzten Weinberge mit Merlot, Chardonnay oder Pinot Grigio. Interessante Ausnahmen bilden lediglich die sich aus der Po-Ebene erhebenden Hügelketten vulkanischen Ursprungs wie die Colli Berici oder die Colli Euganei, die ein deutlich würzigeres Geschmacksprofil zutage treten lassen. Im Allgemeinen kann man im Veneto also zwei Gefälle beobachten: eines zwischen Norden und Süden, weil sich die Spitzenqualitäten eher auf kargen als auf fetten Böden entwickeln, und eines zwischen West und Ost, weil die Weine um den Gardasee und Verona herum den Ton angeben, während jene aus der Küstengegend kaum eine Rolle spielen.

Wie so ziemlich alle ihrer Landsleute sind auch die Menschen Venetiens einem guten Essen samt passender flüssiger Begleitung gegenüber stets aufgeschlossen. Besonders ältere Herren läuten die Mittagszeit regelmäßig mit „un ombra“, einem Schatten, ein. Das gern zu zweit oder dritt genossene Gläschen hat seinen Namen von einer für die leutseligen Italiener nur zu alltäglichen Situation: man trifft sich zufällig auf der Piazza, beginnt ein Gespräch über Gott und die Welt, ist nach einigen Minuten aber die vom Himmel herabglühende Sonne leid. Also zieht man sich vorzugsweise in den Schatten des Kirchturms zurück, wo früher stets - und heute manchmal auch noch - schon ein findiger Weinhändler mit seinem Wägelchen wartete, der die vor der Hitze Flüchtenden mit einem zwanglosen Tropfen versorgte. Da die Sonne natürlich immer weiter wandert, muss man seine Position immer wieder ein klein bisschen ändern, um weiterhin Schatten zu haben - und ermisst oft eher an der zurückgelegten Strecke als an der Uhrzeit die bisherige Dauer des Gesprächs.

Da über einen längeren Zeitraum und dann auch noch mit landestypisch großem Enthusiasmus geführte Unterhaltungen durchaus ermüdend sein können, scheint es früher oder später geboten, sich nach „il pranzo“, dem Mittagessen, umzuschauen. Stets einen Gefallen tut man sich mit Cicchetti, kleinen Häppchen, die die perfekte Ergänzung zu einem Glas Wein darstellen, ähnlich wie spanische Tapas. Die richtige Anlaufstelle ist eine Osteria oder noch besser, weil original venezianisch, ein Bacaro. In den Weinbars, die allerdings nicht den überkandidelten Großstadt-Chic verströmen, die Touristen aus dem Norden erwarten, sondern eher an eine Kneipe erinnern, gibt es meist eine große Auswahl davon für kleines Geld - zumindest dann, wenn man so klug ist, die marktschreierischen Vertreter direkt auszusortieren und stattdessen dort zu speisen, wo es auch die Einheimischen zu tun pflegen. In aller Regel serviert man im Veneto auf die Frage nach Cicchetti Bruschettascheiben oder Polenta, die auf sehr kreative Art mit den unterschiedlichsten Leckereien belegt sind: getrockneten Tomaten, Kapern, Taleggio, Anchovis, Artischocken, Zucchiniblüten und vieles mehr. Ebenfalls für den Verzehr am Tresen geeignet ist das Carpaccio, noch eine Erfindung aus der uns bereits bekannten Harry’s Bar in Venedig. Das Gericht aus hauchdünn aufgeschnittenem, rohem Rindfleisch, verfeinert mit Rucola, Parmesan, Olivenöl und Trüffeln diente einer Gräfin einst dazu, ihre Diät einzuhalten, welche ihr den Genuss gekochter Speisen verbot.

Neben ausgedehnten Anpflanzungen von Mais, Weizen und Reis werden auch viele Gemüsesorten kultiviert - etwa Erbsen, die sich in Kombination mit dem Reis zu Risi Bisi verarbeiten lassen, einem einfachen, auch bei Kindern beliebten Gericht, das einst am Markustag zur Feier des beginnenden Frühlings für den Dogen von Venedig zubereitet wurde. Eine besondere Spezialität ist der Radicchio. Die leicht bitter schmeckende Pflanze ist in Deutschland eigentlich nur in ihrer rötlichen Erscheinung mit weißem Strunk bekannt, wartet in Venetien aber in ganz unerwarteten Variationen auf, die teilweise sogar mit geschützter geografischer Angabe vermarktet werden. Auch isst man ihn eher selten im Salat, sondern genießt ihn gegrillt oder im Risotto.

Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss, vielleicht nach einem deftigen Fegato alla veneziana, einer geschnetzelten Kalbsleber als Hauptgang. Und das ist ohne jeden Zweifel der Amarone, neben Barolo und Brunello einer der drei großen Rotweine Italiens. Wer ihn kostet, braucht danach keine Dolci und keinen Espresso mehr. Von den beiden anderen feinen Tropfen unterscheidet er sich nämlich gehörig, und zwar vor allem aufgrund seiner Herstellungsweise. Denn während für jene schlicht reife Trauben gelesen und direkt im Anschluss gepresst werden, trocknet man diese für den Amarone mehrere Monate auf Holzgestellen oder Gittern - ständig in Augenschein genommen und zur Vorbeugung von Schimmel gedreht und gewendet, was mitursächlich für den späteren hohen Preis ist. Während dieser Zeit vollzieht sich der als Apassimento bezeichnete Vorgang: in den Beeren enthaltenes Wasser verdunstet, wodurch sich ihr Gewicht um 30 bis 50 Prozent reduziert, gleichzeitig werden Aroma, Säure und Zucker konzentriert. Geografisch ist der Amarone dem Bardolino und dem Valpolicella aus dem gleichnamigen Tal nahe, weswegen er als offizielle Bezeichnung „della Valpolicella“ angehängt bekommt. Und auch die verwendeten Rebsorten sind dieselben: die aufgrund ihrer dicken Schale besonders gut für den Verdunstungsprozess geeignete Corvina, ergänzt um die durch ihre Widerständigkeit gegen Pilzerkrankungen ebenfalls gut trocknenden Rondinella und Molinara. Sie sorgen für ein Geschmackserlebnis der ganz besonderen Art, das sich aus einem sehr hohen Alkoholgehalt von bis zu 17 Prozent, extremer Aromendichte und einer leichten Bitternis speist. Ebenjene war es, die ihm seinen Namen eingetragen hat: schon seit sehr langer Zeit kannte man im Veneto den Recioto, einen Wein aus ebenfalls rosinierten Trauben, der jedoch nicht vollständig durchgärt und daher eine spürbare Restsüße aufweist. In den 1940ern jedoch vergaß ein Kellermeister ein Fass desselben, wodurch sämtlicher Zucker vergor und ein trockener Wein entstand. Als besagter Kellermeister neugierig von diesem probierte, soll er erstaunt ausgerufen haben, wie „amaro“, also bitter dieser doch sei. Wem der äußerst gehaltvolle Amarone eine Spur zu heftig sein sollte, der findet in einem Valpolicella Ripasso eine gute Alternative: der schon durchgegorene Wein wird mit den abgepressten Schalen aus der Amarone-Herstellung vermischt und einer zweiten Gärung unterzogen. Heraus kommt quasi eine Light-Version des gewaltigen Aushängeschildes der Region, der dennoch deutlich mehr Extrakt aufweist als ein gewöhnlicher Rotwein.

Ach, Venetien… wo jede größere Stadt Welterbestatus genießt - denn auf einer Tour von Venedig an den Gardasee sollte man sich Padua mit seiner 800 Jahre alten Universität und den Fresken Giottos sowie das Renaissance-Juwel Vicenza nicht entgehen lassen -, wo man am Morgen Skifahren und noch am selben Abend im Meer schwimmen gehen kann, wo mit Verona und der dort stattfindenden Weinmesse Vinitaly das vinophile Zentrum des ganzen Landes lockt. Eine Hochburg des Easy Drinking, die mit in aller Regel sehr preiswerten bis wirklich günstigen Tropfen lockt, weswegen man nichts falsch machen kann, wenn man einfach aufs Geratewohl ausprobiert. Zwar geht der Vorwurf, ein Massenweinproduzent zu sein, nicht völlig ins Leere, aber die 14 DOCGs und 29 DOCs vereinen immerhin die Hälfte der Gesamternte auf sich. Und auch für ausgemachte Gourmets stehen mit Amarone oder den Superiore-Versionen von Soave und Bardolino ja herausfordernde Gaumenkitzler parat. Eine landschaftliche, kulturelle und weinbauliche Vielfalt, die zu unerwarteten Entdeckungen einlädt. Die sowohl für Einsteiger als auch für Fortgeschrittene allerhand bereit hält. Und die es in Italien und weit darüber hinaus so kein zweites Mal gibt.

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