Penedes – Die Münchhausisierung einer Weinregion

Penedes – Die Münchhausisierung einer Weinregion

Vor gerade einmal einhundert Millionen Jahren war dort Ruhe. Absolute Ruhe! Denn damals befand sich diese Region Spaniens tief unten im Meer. Das Tethysmeer trennte Eurasien von Afrika und Indien. Kein Berggipfel war zu sehen. Nirgends. Gut, das ist auch heute nicht viel anders, denn der eine Berggipfel (auf Catalán und damit amtlich Puig de Mont), Karl, sitzt in Berlin auf dem Kreuzberg, während der Rest der Berggipfelfamilie in der heimischen Bäckerei kleine Brötchen bäckt.

Irgendwann verzog sich das Wasser, es verblieb eine von Kreide und Kalk geformte Region. Insbesondere im Osten, im Massís del Garraf findet man jede Menge fossile Reste. Irgendwann kamen Phönizier, Griechen und Römer, und alle beherzigten eine bekannte Aufforderung: „Wanderer, kommst Du nach Catalunya, please be sure to wear a rootstock in your hair.“ Oder so. Sitges war einer der zentralen Anlandepunkte, was die Katalanen jener Zeit dazu verleitete, eine Rebsorte Malvasía de Sitges zu nennen. Ob sie mit Malvasía wirklich viel zu tun hat, ist nicht wirklich klar. Gleichwohl gilt dies auch für mindestens fünf andere „Malvasías“, die sich auf dem Gebiet der Ibärischen Halbinsel herumtreiben. Aber dieses Thema soll uns heute nicht berühren. Die Region wurde bekannt, sogar berühmt, nicht nur für Wein. Als die Menschen begannen, Regionen einzuteilen, nannten die Katalanen diese Ecke Penedès, um sie sogleich in L’Alt Penedès und Baix Penedès einzuteilen. So Menschen, das nur nebenbei, etwas von Panadés faseln, haben sie nicht etwa zu viel Brot gegessen, es handelt sich schlicht und ergreifend um ungezogene Zuwanderer, die nicht in der Lage sind, amtliche Namen zu benutzen.

Vor der Reblausplage war das Penedès bekannt, ja, teilweise auch berühmt für Rotweine. Sumoll, Cariñena, Garnacha, etwas Trepat, Monastrell und noch so einige Sorten mehr. Tempranillo kam dann nach der Reblaus, kann aber eigentlich nichts Sinnstiftendes beitragen. Als dann ein gewisser Monsieur Raventos Anfang der Zwanziger Jahre aus der Champagne nach Sant Sadurní d’Anoia zurückkam, stellte er das Penedès vom Kopf auf die Füße. Oder anders herum. Denn von da an geht es hier fast ausschließlich um Cava. Macabeo, Parellada, Xarel.lo, das sind die wichtigsten Rebsorten, auch wenn im Laufe der Zeit noch die eine oder andere Sorte hinzu kam, Chardonnay etwa. Abgesehen davon war das Penedès vor fünfzig Jahren ein Quell frischer, nicht allzu komplexer Weißweine; davon ist nicht mehr viel übrig. Massencava herzustellen, ist halt simpel, man braucht keine Qualität, Kilos und so etwas wie Säure, damit ist es schon getan. Weinbauern, die vom Traubenverkauf leben, haben eigentlich kaum eine Alternative. Noch vor zwanzig Jahren fand man in vielen Restaurants in Spanien weißen Penedès, heute steht dort Verdejo.

Liest man in alten Büchern, in Sachen Spanien und Wein gibt es leider kaum neuen Bücher, die man unfallfrei lesen kann, dann wird diese Zeit intensiv beschrieben: Cava und Weißwein und Penedès, das war einmal. Wer dort vor fünf Jahren um die Ecken zog, wurde eines anderen belehrt.

Dann kam Damokles und brachte sein Schwert an. Dieser Damokles des zwanzigsten Jahrhunderts ist zu allem Überfluss ein Katalane, Miguel A. Torres heißt er, sein Reich beginnt in El Pacs del Penedès, ob in ihm die Sonne untergeht, mögen andere nachrechnen. In Katalonien sorgte er schon für eine Verdunklung. Denn ließ die D.O. Catalunya gründen, auf dass man endlich ganz legal Trauben aller Katalanen zusammenschütten könne. Der Weißwein wurde mit dem Cava gejagt, die letzten Reste der Rotweine bedrohte Miguel.

Im Jahr zwanzig fünfzehn brachte das Penedès vierzehn Millionen Liter Wein auf die Waage, der innerspanische Konkurrent Rueda derer einundsechzig. Fünfzehn Jahre zuvor waren es einundsiebzig Millionen Liter im Penedès und gerade einmal knapp sieben Millionen Liter in Rueda. Das Penedès war tot. Mausetot!

Und dann hatte der Consejo Regulador eine Idee: man verpflichtete einen direkten Nachfahren von Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen. Eigentlich soll er für das Penedès die Champions-League gewinnen. Kurzfristig wäre man aber auch zufrieden, wenn er die Region am eigenen Schopf aus dem Schlamassel ziehen würde.

Wir wissen nicht, in welcher Höhle dieser Herr lebt, die Aktivitäten der Region indes sind schon beachtlich. Ihnen kommt zu Hilfe, dass viele Weingüter am eigenen Leib (Geldsack) spüren, dass es so nicht weitergehen kann.

Früher gab es im Penedès keinen Schaumwein. Wozu auch? Alles, was blubberte, war Cava. Dann aber kamen die Großfabrikanten aus allen Regionen Spaniens und zertrümmerten gewissenhaft das wackelige Image der spanischen Schäumlinge. Etwa ein Zehntel der Cava-Produzenten aus dem Penedès machten sich auf die Reise. Indes: sie mussten nicht lange laufen, denn Hieronymus Carlos hatte eine Idee: man schuf „Clàssic Penedès“. Letztendlich ist das eine extrem verschärfte Version der Cava-Regeln: Trauben nur aus dem Penedès, Trauben nur aus ökologisch beackerten Weinberge (bis Jahrgang zwanzig siebzehn gibt es Übergangsstufen), der Erntejahrgang muss auf dem Etikett angegeben werden, Jahrgangsverschnitt ist nur in der Form möglich, die auch für Wein gilt. Alle Schäumlis dieser Art müssen mindestens fünfzehn Monate in der Flasche reifen, um als Reserva klassifiziert zu werden. Die Dauer der Flaschenreife kann auf dem Etikett angegeben werden, ebenso das Datum des Degorgierens (das hätte man zur Pflicht machen sollen, aber da hat man sich wohl nicht getraut). Und: man hat als Variante die Ancestral-Form gleich mit integriert. Ancestral meint: es gibt nur eine Gärphase, die der Most teilweise im Tank, teilweise in der Flasche durchläuft. Manche dieser Schäumlis werden nicht degorgiert. Auch das ist auf dem Etikett vermerkt. Was das bringt, man wird es sehen. Aber es ist immerhin schon einmal ein Anfang.

Und dann hat der Freiherr noch einmal ganz tief in die Kiste gegriffen, das Penedès soll so langfristig stabilisiert werden. Überall in Spanien sprießen derzeit Ideen der terroirbezogenen Klassifizierung aus dem Boden, aber nirgends funktioniert das so richtig. Vielleicht mit Ausnahme von Bierzo, aber auch da steht die endgültige Entscheidung nun schon geraume Zeit an. Die Rioja taumelt, man versucht, Aktivität vorzutäuschen, Ribera ist von so etwas meilenweit entfernt. Hieronymus Carlos und sein Team haben indes Schöpfe mit Zöpfen gemacht. Es gibt inzwischen eine auf Terroir basierende Klassifikation des Penedès, die nicht weniger als zehn Regionen umfasst. Das spannende ist: die haben wirklich jede Ecke untersucht! Auf der Webseite der D.O. Penedès gibt es eine Karte, in der die Teilregionen eingezeichnet sind. Da findet man jede (¡sic!) Parzelle, die es gibt. Man kann genau erkennen, ob eine Parzelle nun zum Massís del Garraf oder zu Marina del Garraf gehört, zu Alts d’Ancosa oder zu Costers del Montmell. Durch die Hintertür hat Münchhausen den Katalanen dann aber doch einen reingewürgt: denn auch hier darf man Weine nur dann als Produkte einer Subregion klassifizieren, wenn es sich um Weine aus ökologischem Anbau handelt.

Und die ersten Ergebnisse sind schon da: das Massís del Garraf ist klar federführend. Unlängst gab es eine Verkostung in der Höhle von Can Ràfols dels Caus, an der fünfzehn Bodegas aus dem Garraf teilnahmen (gut, einige sind aus Marina del Garraf). Aber die echten Massissisten haben schon ganz klar im Kopf, was da geschehen soll.

Aber auch sonst hat sich viel getan, die Zeiten, in denen CabMeSy, Chardonnay und manche aus Sardinien übergelaufene Rebsorte angebaut wurden, sind vorbei; Tempranillo pflanzt auch niemand mehr. Man braucht keine internationalen Sorten mehr, um sich zu positionieren, nicht auf dem regionalen Markt (der restspanische spielt für Katalanen ohnehin keine große Rolle) und in ein paar Jahren wohl auch nicht mehr auf dem internationalen Markt.

Das alles wird dauern, aber der Freiherr scheint doch ganz gute Arbeit geleistet zu haben. Text: El oso alemán

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