Alter Bär trifft alten Mann

Alter Bär trifft alten Mann

Als Felipe begann, damals noch in einer Art Höhle in Xàbia, gab es in der Provinz Alicante nicht viele ernsthaft gute Weinmacher. Natürlich kann in einer Region, in der schon seit mehr als zweitausend Jahren Wein gekeltert wird, niemand wirklich ein Pionier sein, aber dennoch: in gewissem Sinne ist es Felipe Gutiérrez de la Vega dann doch.

Felipe Gutierrez de la Vega.

Fünfundvierzig Jahre ist das nun her, er begann damals, gemeinsam mit seiner Frau Pilar, die alten familiären Rebanlagen wieder instand zu setzen; gleichzeitig kelterte er seine ersten Weine. Ein Jahrzehnt später zogen Felipe und Pilar dann gen Parcent, und das Abenteuer begann.

Gutiérrez de la Vega ist bekannt für Weine, die sich Fondillón nennen, sie gibt es nur dort, in Alicante, zwischen der Sierra de Salinas an der Grenze zu Jumilla und Xàbia, an den Füßen des Montgó. Fondillón, das ist zunächst einmal süßer Wein, gewonnen aus sehr reif gelesenen Trauben, vergoren in offenen Tonneaus, zehn Jahre in Barricas gereift. Dann erst kommt der Wein in die Solera, wie man sie aus Jerez oder Sanlúcar kennt. Oftmals ist es eine Solera mit integrierter Criadera. Denn es gibt in der Regel nur eine Stufe, aus der fertiger Fondillón entnommen wird. Aufgefüllt wird mit dem, was zumindest zehn Jahre in Barricas reifte. Den Umfüllprozess, der in Sanlúcar oder in Jerez als Criadera-Stufen bekannt ist, entfällt hier. Felipe hat in seinem Keller Jahrgangsfondillóns aus mindestens zehn Jahren liegen, immer ein kleines Barrique. Sobald es ans Abfüllen geht, wird ein kleiner Teil als Jahrgangsfondillón gefüllt, ein Teil wird mit dem Wein aus anderen Barricas assembliert, um einen Fondillón aus drei Jahrgängen anzubieten, Fondillón Único Especial, sozusagen. Theoretisch gibt es auch noch ganz alte Fässer, denn Felipe hat in jedem Jahr, in dem eines seiner drei Kinder zur Welt kam, ein kleines Fass angelegt, mal zehn Liter fassend, dann wieder dreißig. Mal entnimmt er einen Liter, mal keinen. Womit er auffüllt, das bleibt ein Betriebsgeheimnis.

So hätte man diesen Text vor etwa drei oder fünf Jahren lesen können. Heute indes nicht mehr. Denn Felipe Gutiérrez de la Vega hat vor ein paar Jahren die Weinbauregion Alicante verlassen und darf nun, da das Wort Fondillón auf den Namen der Weinbauregion registriert ist und damit geschützt ist, Fondillón nicht mehr so nennen. Es ging um Zucker, um Alkohol, um Farbe, aber letztendlich ging es wohl darum, innerhalb der Weinbauregion Alicante einen Typ Fondillón durchzusetzen, der zumindest mit dem, was Felipe jahrzehntelang gemacht hat, nicht viel zu tun hat. So sonderlich scheint Felipe das aber nicht zu kümmern, er nennt seine Spezialweine ohnehin lieber Alicante, was er so natürlich auch nicht auf das Etikett schreiben darf.

Vielleicht ging es bei dem Streit mit dem Consejo aber auch darum, dass der alte, durchaus von sich überzeugte Winzer, nicht so richtig in die moderne Welt der Alicante-Weine passt, eine Welt, die von der Riesencooperative Bocopa dominiert wird, gefolgt von zwei oder drei anderen Genossenschaften, komplettiert von ein paar größeren Privatbodegas und einigen wenigen nicht ganz so großen Kellereien.

Imagine – Giró mit Haus in den Bergen.

Neben Monastrell für den Fondillón, der heute nicht mehr so heißen darf, und Moscatel d’Alexandria für die Weißweine, kultiviert er mit größter Begeisterung Giró, eine blaue Sorte, die es auch auf den Balearen und in Nordafrika gibt. Man sagt, es sei ein lokaler Klon der Garnacha, selbst in einer gar noch nicht so alten Broschüre des Weingutes liest man davon. Nur: es stimmt nicht, die DNA ist schlicht und ergreifend zu verschieden. Eigentlich reicht es, die Blätter, die Triebspitzen und die Trauben zu betrachten, niemand käme auf die Idee, dass dies eine einzige Rebsorte sein soll.

In Xaló, im flachen Teil des Gemeindegebietes, gibt es jede Menge Giró, Garnacha auch. Eigentlich besitzt Felipe dort keinen einzigen Weinberg, alles gehört lokalen Weinbauern, die ihre Trauben an die lokale Cooperative liefern. Eigentlich. Denn zunächst darf Felipe durch viele dieser Weinberge laufen und das ernten (lassen), was ihm gefällt. Er bezahlt besser als die Cooperative und die braucht keine hohen Qualitäten. Auf diese Art und Weise kommen immer so knapp zehntausend Kilo Giró zusammen, aus ihnen entsteht der Rojo & Negro, einer der zwei Flachlandrotweine. Der andere Viña Ulises, stammt auch aus dem Xaló-Tiefland, früher handelte es sich um Garnacha und Monastrell, jetzt ist das Giró aus Xaló und Monastrell aus der Sierra de Salinas, knapp vor Jumilla gelegen. Ein frischer, jugendlicher Wein, der nicht in Barricas reift, unkompliziert, gut zu saufen.

Um den Rest zu verstehen, wuchten sich der alte Mann und der alte Bär in einen Geländewagen, wir erkunden die Sierra del Ferrer. Parcent liegt auf gerade einmal zweihundert Metern über Meeresniveau, die Bergweinberge indes befinden sich auf mehr als sechshundert Höhenmetern. Die Bodentypen wechseln alle paar Meter, Weinberge findet man indes kaum. In manchen Ecken ist Felipe der einzige, der noch Reben kultiviert. Viele haben längst aufgegeben. In einer Parzelle steht nur Giró, er landet in einem Wein, der an John Lennon erinnern soll: Imagine.

Felipe drängt, er will noch weiter in die Wildnis vordringen. Wieder geht es über Stock und Stein, das Mobiltelephon hat schon längst kapituliert. Und noch eine Kurve, noch eine Schotterpiste, dann ruht da ein kleines Hinweisschild: Planises steht da zu lesen. Gefühlt drei Jahre später kommen wir dann auch dort an; und es ist wirklich eine spektakuläre Parzelle. Jede Zeile Reben klammert sich an eine Felsmauer, es sieht fast so aus, als ob die Reben aus den Felsen sprießen. Hier entsteht der Recóndita Armonía, einer der spektakulären Weine der Bodega. Und auch ein Teil der Trauben für die nicht mehr Fondillóns wird hier gewonnen.

Planises, die Steinweinparzelle.

Zurück in der Zivilisation bleib keine Zeit mehr, die Weißweine zu verkosten. Gut, dass wir dies schon drei Wochen zuvor erledigten, als eine auf sechzig Minuten angesetzte Verkostiung auch nach drei Stunden kein Ende fand. Casta Diva nennt sich der Einstiegswein, ein frischer Moscatel, gut strukturiert, ganz anders als jener von Les Freses, über den wir vor ein paar Wochen sprachen. Gelbe Frucht, sehr dicht, gute Länge. Zwanzig tausend Flaschen, das reicht zur Not auch für fünf Bären. Neu ist der Monte Diva, ein „brisado“; so nennen die Katalanen ihre mit Stielen getretenen Moste, die dann mehrere Tage auf den Schalen maischen. Waldkräuter, sehr würzig, dunkles Obst, so hat es der Bär vermerkt. Ebenfalls etwas extrem, aber sehr gut gemacht, ist der Tío Raimundo, ein Moscatel, der, ähnliche einem Manzanilla, unter eine Hefeschicht reift. Zwei Jahre, nur gestört durch diverse Verkostungen. Spannend! Ob man davon auch eine ganze Flasche, also eine der dreihundert und vierundsechzig Flaschen, trinken kann, muss bei Gelegenheit erkundet werden.

Der nächste Wein ist natürlich etwas für Bären, schließlich heißt er Casta Diva Cosecha Miel. Schleckckckck! Der Most vergärt sechs Monate lang in einem Barrique. Irgendwann beginnt Felipe, Alkohol zuzufügen, immer ein klein wenig, aber irgendwann haben die Hefen dann die Schnauze voll. Es bleibt ordentlich Zucker und der Alkohol pendelt sich auf mittlerem Niveau ein. Kein klassischer Cabezera, bei dem auf einmal all der nötige und gelegentlich auch der unnötige Alkohol hinzugefügt wird.

Und schließlich ist da noch die Solera 2002, drei kleine Barricas, die Solera wurde im Jahr zweitausend und zwei aufgesetzt. Der Wein trägt den Beinamen Real, weil er zur Hochzeit des anderen Felipe, des Bourbonen, ausgeschenkt wurde. Jedes Jahr wird jedem Barrique ein Zehntel entnommen und abgefüllt. Aufgefüllt wird mit aktuellem Wein.

Und die Zukunft? Nun, Violeta, seine Tochter, ist auch im Familienbetrieb aktiv. Zudem keltert sie zwei Weine, die unter dem Namen Curii vertrieben werden.Auch wenn das als eigenständiges Weingut getarnt ist, scheint es sich in Wirklichkeit um eine Art Warteschleife zu handeln, bis dann, irgendwann, der Platz an der Spitze von Gutiérrez de la Vega neu zu besetzen ist. Aber mit fünfundvierzig Dienstjahren ist für Felipe noch lange nicht schluss! Text: El oso alemán

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