Eine Geschichte über Bio und Wein

Lese BIO, verstehe Bahnhof

Es gibt so ein paar Dinge in dieser Welt, die sich ganz nett anhören, beim zweiten Hinschmecken dann aber anfangen, kompliziert zu werden. Diese Tage ging es darum, ob ein Wein denn nun „bio“ sei oder nicht, zertifiziert ökologisch, um exakt zu sein. Eines meiner Lieblingsthemen…

Nun muss man bedenken, dass bio nicht gleich bio ist, und das zertifiziert oftmals nicht viel mehr bedeutet, als dass jemand einen Zettel unterschrieben hat und ihn so zum Zertifikat macht.

Vergleicht man Weinbau in Deutschland mit Weinbau in Spanien, dann gibt es da einen großen Unterschied: das deutsche Weinrecht kennt den Begriff der Erzeugerabfüllung, so wie auch jene in Frankreich, in Italien, in Österreich oder auf der dunklen Seite des Mondes. Spain, is different. Und genau das ist das Problem. Dazu weiter unten mehr.

Was den Weinbau, also das, was passiert bevor die Trauben abgeschnitten werden, angeht, sind die Unterschiede so groß nicht. Es gibt die drei Jahre der Konversion, man muss nachweisen, dass sich der Boden gereinigt hat. In Flachlagen ist das alles kein Problem, am Hang hat man halt genau eben dieses, so der Weinbauer oberhalb ein Spritzfanatiker ist. Auch wenn Weinberge neben Kartoffeläckern stehen, soll in Rheinhüstel ja schon mal vorkommen, in Spanien ist das alltäglich, dann landet das Gespritze schon einmal in den ersten drei Zeilen des Weinberges. Aber all das ist kontrollierbar.

Und somit ist Weinbau „bio“, so keine systemischen Spritzmittel ausgebracht werden, Herbizide, Fungizide und andere -zide auch nicht. Und noch ein paar Regularien mehr. Nur: so ganz ohne Behandlung der Rebstöcke geht es halt dann doch nicht. Und dann stellt sich halt die Frage ob das kontinuierliche Ausbringen von Schwefel, insbesondere aber von Kupfer, wirklich umweltschonender ist als das einmalige oder zweimalige Behandeln mit einem systemischen Mittel. Und damit ist es leider noch nicht vorbei, denn wir müssen auch über Bodenverdichtung reden. Wenn da der Traktor wieder und wieder über den Boden rumpelt, dann wird jedes Mal Boden verdichtet, zwar nicht „zementiert“, aber fast. Ob der Regenwurm nun an systemischen Rückständen stirbt oder an Kupferlösungen oder gar nicht mehr aus der Erde herauskommt, das ist für den Regenwurm erst einmal zweitrangig. 

Natürlich ist all das regional zu betrachten. In Castilla ohne León etwa muss mir ein Weinbauer oder eine Weinbäuerin schon erklären, warum man auf systemische Mittel setzt. Einmal Schwefel mit ein klein wenig Kupfer und danach höchstens noch zweimal Schwefel, damit kommt man auch in komplizierten Jahren übers Jahr. In anderen Regionen geht das nicht. Wer in Albariñistan so vorgeht, kann ab Ende Juli vier Monate Urlaub machen, im Weinberg gibt es dann ja nichts mehr zu tun. Oder aber das, was in diesem Jahr in Catalunya passierte: eine Woche Regen, dann eine Woche Hitze, dann wieder eine Woche Regen, und so den ganzen Sommer hindurch. Ein Großteil derer, die zertifiziert ökologisch arbeiten, haben dort in diesem Jahr nichts geerntet. Wer nicht vom Weinbau leben muss, für den ist das eher ein geringeres Problem, wer aber Geld für Essen und Trinken herbeischaffen muss, der hat ein Problem. Nicht wenige Weingüter haben sich in diesem Jahr vom ökologischen Weinbau verabschiedet.

Auf der anderen Seite ist es auch nicht mehr so, dass Weinbauern stur nach einem Zeitplan spritzen, ein klein wenig hat man schon hinzugelernt. Es ist also nicht wirklich einfach. Erschwerend kommt hinzu, dass Konsumentinnen oder Konsumenten dies gar nicht überblicken können, zu viele Variablen, zu viele Unbekannte.

Und all das betrifft ja erst einmal „nur“ die Weinberge, den eher einfachen Teil der Geschichte. So richtig geht die Post erst bei den Weinen ab.

In Deutschland, Österreich oder sonstwo arbeitet ein Weingut in der Regel entweder ökologisch oder halt nicht ökologisch, manche Verbände zertifizieren auch nur, wenn komplett ökologisch gearbeitet wird. Die wissen schon, warum… In Spanien gibt es relativ wenige Weingüter, die rein ökologisch arbeiten, aber viele (gut, insgesamt gibt es in Spanien so viele Weingüter dann auch wieder nicht), die einen Ökowein im Programm haben. Oder auch derer zwei oder drei. Dann kommt da der Abfüller aus der Mancha (drei Euro in die Vorurteilskasse!) und füllt drei Millionen Flaschen Normalwein und fünftausend Flaschen Ökowein. Green-washing könnte man so etwas nennen. Da ich von einigen Weingütern den Ökoprozess kenne ist mir klar, dass, wenn das Weingut wirklich will, die Zertifizierungsbehörde den wirklichen Ursprung der zu zertifizierenden Partie nicht mit hundertprozentiger Sicherheit kennt; mich achtzigprozentiger leider auch nicht. Wer bietet weniger? Die Denominaciones de Origen kennen nur drin oder draußen (zumindest geht die Theorie so), was „drin“ passiert, ist, so Obergrenzen der Erntemenge eingehalten werden, oftmals nicht nachvollziehbar. Die Ökoweinkontrolleure wissen also nicht, ob in der Ökoweinparzelle sechstausend Kilo pro Hektar gelesen werden oder das Doppelte. Sie müssen sich mit dem zu zertifizierenden Wein herumschlagen.

Winzerin, Winzer – darf ich auf Euer Wort vertrauen? Nun, so ein Weingut alle Weinberge ökologisch bearbeitet und damit auch wirbt, ist die Schwindelgefahr eher gering. Der neidische Nachbar würde Schummeleien sofort ausschlachten. Wenn das zehn Prozent aller spanischen Weingüter sind, die Bioweine anbieten, was wiederum keine zehn Prozent aller spanischen Weingüter sind, dann ist dieses eine Prozent schon ein hoher Wert.

Richtig dolle wird es, wenn zugekaufte Trauben, oder, die Steigerungsform, zugekaufter Fasswein ins Spiel kommen. Das spanische Weingesetz kennt nur „elaborado y embotellado“, also ausgebaut und abgefüllt, und selbst das ist latent dehhhhnbar, von „producción de uva“ steht da nix. Der Consejo Regulador weiß, welche Bodega von welchem Weinbauern Trauben kauft oder von welcher Bodega Fasswein, er weiß aber nicht, für welchen Wein diese Einheiten dann verwendet werden. Die Zertifizierungsstelle weiß gar nix. Sie weiß nur, dass es da eine Ökoparzelle gibt und dass da im Labor ein Wein liegt, der öko sein soll. Will sagen: sobald er die durchaus hoch gehaltenen Grenzwerte unterläuft, kriegt er das Ökopapperl. Toll, ¿wa?

Und dann kommt da noch eine Sache um die Ecke, vor der bislang noch gar nicht die Rede war: natürlich ist es überall auf der Welt erlaubt, dreißigtausend Kilo pro Hektar zu ernten, um dann aus dem Lesegut einen Biowein zu basteln. Die traurige Wahrheit ist: schreckliche Bioweine sind am Ende des Tages schlicht und ergreifend schreckliche Weine.

Kann man „bio“ schmecken? Nein! Kann man „bio“ im Weinberg sehen? Hmmm. Schon, aber eher die Negativprobe. Was kann man tun, außer brummen? Dem Lieferanten, aka Weinhändler, kritisch vertrauen! Denn am Ende ist es die Aufgabe des Vermittelns, welche die Weinhändlerin oder der Weinhändler übernehmen muss. Text: el oso alemán

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