Bedeutungsschwanger: Die Namen der Lagen

Über den Ursprung der Namen der deutschen Weinbergslagen

Beim Stöbern am Weinregal schon mal verblüfft das Etikett einige Zentimeter näher an die Augen gehalten und nochmal gelesen? Dann haben Sie sicherlich gerade ein unerwartet günstiges Schnäppchen gemacht – was Ihnen gegönnt sei, aber leider nicht allzu häufig geschehen wird – oder aber Sie sind auf eine der vielen kuriosen Lagebezeichnungen innerhalb des deutschen Weinbaus gestoßen. Und das dürfte wesentlich öfter passieren, denn von den rund 2600 Einzellagen in Deutschland sind so einige wahre Namensexoten, das gilt besonders für Pfalz und Mosel.

Die Historie der Benennung der Weinlagen ist ein Stück deutscher Sprach- und Kulturgeschichte und in seiner Vielfalt ein wahrer Bilderbogen damaliger Machtverhältnisse und Überzeugungen.  Hierbei muss man allerdings unterscheiden zwischen tatsächlich historisch gewachsenen Bezeichnungen und solchen, die im 19. Jahrhundert zum Zweck der Eigenwerbung erdacht wurden. Erst vor etwa 200 Jahren etablierte sich nämlich die Abfüllung des Weines in schlanke, handliche Glasflaschen, vorher verwendete man meist Fässer. Dadurch eröffnete sich für Winzer und Händler die Möglichkeit, möglichst wohlklingende Benennungen zu erfinden – Kommerz eben, der uns leider nicht viele erzählenswerte Geschichten überliefert. 

Viele der „alten“ Namen hingegen stammen aus der Volkssprache und sind dementsprechend dialektal gefärbt oder über die Jahrhunderte so verschliffen worden, das sich der Gehalt nur noch erahnen lässt: etwa der schon bei Napoleon beliebte Brauneberger „Juffer“ an der Mosel. Denn eigentlich müsste es eher „die Juffer“ heißen, bezieht sich das Wort doch auf jene drei Töchter des kurpfälzischen Kammerherrn Wunderlich, die als Unverheiratete, ergo Jungfern, durch ein Erbe in den Besitz der Lage kamen. Andere bilden die Besiedlungsgeschichte eines Ortes ab und weisen vor allem darauf hin, durch wen der Weinbau gegen Ende des 1. Jahrhunderts in deutsche Lande gelangte. Diesseits des Limes erinnern etwa der „Römerlay“ im Ruwertal oder der „Römergarten“ bei Briedern an die Ahnherren der Mosterzeugung. Die Römer brachten jedoch nicht nur die Kunst der Traubenzucht ins kalte Germanien – die römische Kirche fasste im Frühmittelalter nach und nach Fuß und mit ihr immer mehr Klöster, die große Gebiete unter ihren Einfluss brachten. Der Großteil der deutschen Lagen hat deswegen auch einen meist recht naheliegenden Bezug zum Christentum, „Klosterstücke“, „Jesuitengärten“, „Kirchenpfade“ oder „Abtsberge“ gibt es deutschlandweit zuhauf. Machen wir uns also auf die Suche nach etwas Außergewöhnlicherem, etwa in Lorchhausen. Für den sofortigen Eingang der Trinkerseele in das Himmelreich sorgt der Konsum eines von dort stammenden „Seligmachers“ wahrscheinlich nicht. Er hat eher etwas mit den Pflanzen zu tun, die dort damals an den Mauern wuchsen: die durch ihre weichen Kätzchen als Palmsonntagsschmuck beliebten Sal-Weiden standen in mittelhochdeutscher Zeit Pate für die Namensgebung. Diese wurden damals als „salhe“ bezeichnet, das durch sie begrenzte Gebiet war lateinisch gesprochen eine „maceria“, eine Einfriedung.

Einen umgekehrt nicht vermuteten, aber tatsächlichen religiösen Hintergrund birgt die Trittenheimer „Apotheke“. Diese Mosellage hat nämlich nichts mit Gesundheit zu tun und auch wenn ein guter Wein aufs wolkige Gemüt oft wie ein Medikament zu wirken vermag, rührt der Name vielmehr daher, dass in früheren Zeiten ein Abt aus dem 30 Kilometer entfernten Trier hier seine Besitzungen hatte, die Lage war somit „aptig“, was der im örtlichen Dialekt so bezeichneten „Apdikt“, der Apotheke, zum Verwechseln nahe kommt. 

Wer statt trockener Herleitungen lieber eine Geschichte erzählt bekommen möchte, sollte einen Stopp in Sasbachwalden im Schwarzwald machen. „Alde Gott“ heißt die örtliche Weinlage, die in der Mitte des 17. Jahrhunderts wohl ähnlich brachlag wie die meisten anderen Teile der Landwirtschaft. Der Dreißigjährige Krieg hatte ganz Deutschland verheert, viele Ortschaften waren niedergebrannt, ihre Bewohner durch Krankheit, Hunger und Gewalt dahingerafft worden. Durch diese trostlose Gegend kam ein einsamer Wanderer, der seit Tagen keine Menschenseele zu Gesicht bekommen hatte. Plötzlich jedoch stand eine junge Frau am Wegesrand, woraufhin er im Freudentaumel ausrief: „De alde Gott lebt noch!“ Eingedenk dieses Zeichens wurde ein Bildstock mit ebenjenen Worten aufgestellt, die man später auf den angrenzenden Weinberg übertrug.

Hin und wieder trifft man jedoch auch auf ganz und gar nicht christliche Namen, etwa die „Hölle“ in Hochheim im Rheingau. Die Südlage, noch dazu früherer Besitz des Kölner Domkapitels und des Erzbistums Mainz, birgt aber in seinem Tonmergelboden nicht den Zugang zum Reich des Teufels, sondern lässt sich wieder einmal aus dem Mittelhochdeutschen herleiten, wo der Begriff „halda“ einen steilen Hang bezeichnete – gleiches gilt für den „Höllenberg“ in Assmannshausen. Der „Höllenpfad“ im pfälzischen Grünstadt hingegen verweist quasi auf das Gegenteil dessen, was vor dem inneren Auge entsteht: kein dunkler Weg in den feurigen Pfuhl, sondern schlicht und einfach ein „heller Pfad“. 

Einen weiteren großen Fundus liefern neben Römern und Katholizismus Tierbezeichnungen. Häufig verband man mit diesen dionysische Kulte, ein Relikt aus heidnischer Zeit, von dem man sich offenbar gute Ernten versprach. Mythologisch besonders aufgeladen ist die Ziege, was sich in Namen wie „Geispfad“ in Traben-Trarbach, der „Zickelgarten“ in Ockfen an der Saar und besonders in diversen Wortschöpfungen mit „Bock“ zeigt. Aber auch der Hase galt als Fruchtbarkeitssymbol und hielt des Öfteren als Namenspate her, etwa beim Neumagener „Häschen“ oder dem „Hasenläufer“ in Brauneberg. Ebenfalls an der Mosel, in Zell nämlich, erwartet uns die Großlage „Schwarze Katz“, die es ihrerseits aber noch nicht allzu lange gibt: ihre Vorgängerlagen „Petersborn“ und „Kapertchen“ wurden im 19. Jahrhundert nach dem Tier benannt, das der vor Ort gern und ausschweifend erzählten Begebenheit nach im Jahre 1863 einen Disput zwischen drei Aachener Weinhändlern entschied. Diese konnten sich spätabends nach einer ausgedehnten Probe nicht auf eines von drei Fässern festlegen und diskutierten wild herum, als plötzlich die schwarze Katze des Hausbesitzers erschien und sich buckelnd just auf das Fass setzte, aus dem sich die Männer gerade noch ein Gläschen genehmigen wollten. Zum Erstaunen selbiger verteidigte sie den Tropfen durch Fauchen und Kratzen aufs Äußerste, was die Händler darauf schließen ließ, dass es sich hierbei ohne Zweifel um den besten Wein handeln müsse. Sie kauften also den gesamten Bestand auf und vertrieben ihn zurück in der Heimat unter dem Namen des Stubentigers, der sie unfreiwillig so gut beraten hatte.

Ähnlich populär ist ein anderes Tier in einem kleinen Ort an der pfälzischen Weinstraße: die Mußbacher „Eselshaut“ entstand wohl dadurch, dass auf der Fläche, auf der heute die Reben stehen, früher einmal Heu gemäht wurde – dieser Vorgang heißt im Mittelhochdeutschen „houwet“. Und da jenes Heu offenbar für die in nahen Stallungen gehaltenen kleinen Verwandten des Pferdes bestimmt war, haben wir es mit einer Esels-Heuernte als Ursprung zu tun. 

Beim „Saumagen“ in Kallstadt hingegen müssen wir nicht allzu lang in der Sprachwissenschaft umherirren, um zum Ursprung zu gelangen: die Parzelle hat, so wird sicher irgendwann einmal jemanden beim Blick auf eine Karte der Region aufgefallen sein, schlicht sackartige Umrisse und gemahnte daher wohl an die pfälzische Spezialität. Einen ebenso trivialen Ursprung hat übrigens die Oberbergener „Baßgeige“ am Kaiserstuhl.

Oft tauchen neben Haus- und Nutztieren auch durchaus seltsame Fabelwesen auf: die „Meerspinne“ in Gimmeldingen etwa. Mitnichten ist aber ein achtbeiniges Monster der Nordsee entstiegen und hat sich dreist in der Pfalz niedergelassen, vielmehr ist die Hanglage schon immer relativ steil gewesen und erforderte aus diesem Grund in vorindustrieller Zeit ein weiteres Zugpferd. Aus dem Einspänner wurde so ein Mehrspänner und dieser im Dialekt der Gegend irgendwann einfach als Lagenbezeichnung übernommen. Eine alternative, aber leider deutlich trockenere Herleitung besagt, dass es sich lediglich um eine zusammengesetzte Ortsbeschreibung aus „mer“, was vor einigen Jahrhunderten ein Wasserloch meinte, und „wünne“ handelt, was wiederum für ein Weideland meint. Ein Weinberg am Wiesentümpel also. 

Eine der bekanntesten Lagen der Pfalz, das Forster „Ungeheuer“ lässt sich wohl genauso wenig auf eine blutrünstige mittelalterliche Sage zurückführen, sondern rührt wahrscheinlich daher, dass ein Beamter aus dem nahen Deidesheim im 17. Jahrhundert so hieß: Johann Adam Ungeheuer. Ebenso profan geht es beim Wachenheimer „Gerümpel“ zu: diese Lage ist nicht etwa besonders ungepflegt, sondern hatte in grauer Vorzeit lediglich Vorbesitzer, die sich Grympel nannten. 

Ob nun die „Goldgrube“ in Bockenheim (Pfalz) etwas damit zu tun hat, dass hier besonders hochpreisiger Wein angebaut wird, soll zum Schluss augenzwinkernd offengelassen werden, klar ist aber: zu einem guten Tropfen gibt es in Deutschland häufig genug eine interessante Anekdote über Land und Leute dazu, man muss zwischen zwei Gläschen nur mal nachfragen. Text: Dario Sellmeier

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