Die Sinnfrage

Das Terroir und der Wein

Schon klar: selbst im Einsteigerkurs über das Präsentieren lernt man in der ersten Stunde: „Beginne NIE mit der Sinnfrage!“. Nur: das gilt für Menschen (m/w/d), für Bären gelten andere Regeln. Und deshalb: 

Warum trinken wir Wein? Die Antwort darauf ist kurz und knapp: Weil wir Terroir nun einmal nicht essen können. Trinken auch nicht. Puristisch an die Dinge herangehend, könnte der Text damit zu Ende sein, es ist schließlich alles gesagt.

Ein wenig ins Detail wollen wir aber dann doch brummen, da gibt es schon den einen oder anderen Aspekt, den man etwas erleuchten kann. Was unterscheidet, vom Alkoholgrad einmal abgesehen, Wein von Bier, Wein von Whisky? Schließlich wird man von allen drei Produkten betrunken, es kommt nur auf die Menge an. Nun: bei Wein, richtig gekeltert, spielt der Ursprung eine Rolle, die Produktsorte auch. Bier hingegen entsteht aus Hopfen, Gerste, Malz und Wasser, zumindest dann, wenn man das Reinheitsgebot ernst nimmt. Nun kann man behaupten, dass der Hopfen aus der Hallertau besser sei als Hopfen aus Jotwehdeh, so ganz sicher ist das indes nicht. Denn wenn dem so wäre würde der Hopfen von dort, da die Fläche nun einmal begrenzter ist als der Biedurst der Menschen (und Bären), für die besten (was immer das auch heißen mag) oder teuersten Biere genutzt. Dem ist aber nachweislich nicht so. Wenn man jahrelang durch Köln und Bonn geturnt ist, weiß man, dass es schlimmes Kölsch gibt, aber auch erträgliches und, in kleinem Umfang, sogar gutes. Das indes hängt wohl vor allem vom verwendeten Wasser ab, nicht jeder Brunnen liefert die gleiche Qualität. Die Gerste kommt von irgendwo, Gerstenanbau in Nippes oder Niehl habe ich nicht entdecken können. Und aus Kappes macht man kein Bier. Wenn man nun also will, dann kann man das Wasser als Terroirpunkt des Bieres betrachten. Man kann es aber auch sein lassen.

In Sachen Wein ist das anders, wir wissen schon, dass Cabernet Sauvignon je nach Region, Boden und Klima anders schmeckt. Und da es nun einmal mehrere hundert (¿tausende?) Rebsorten gibt, abgesehen von diversen Klonen, und noch einmal so viele Terroiridentitäten, ist klar, dass wir über verschiedene Dinge sprechen. Daher ist es auch kein Zufall, dass es keinen Anheuser-Busch Wein gibt, keine der großen Lebensmittelproduzenten beschäftigt sich -derzeit- mit Wein, Bier indes haben einige im Programm, Wasser auch. Selbst Constellation Brands oder Kendall Jackson sind für sich gesehen zwar enorm groß, aber letztendlich doch nicht so bedeutend wie die großen industriellen Biermarken.

Man kann darüber diskutieren, ob es einen Trend in diese Richtung gibt. Ein schleichender Trend zumindest ist zu beobachten. Früher, als Vieles anders, aber längst nicht Alles besser war, tranken vor allem Einheimische Lage, nicht Rebsorte, Weingut auch nicht unbedingt. In Randersacker bestellten lokale Folks einen Sonnenberg, einen Marsberg, und dann erst, wenn überhaupt, einen Riesling oder einen Silvaner. Der Bacchus war und ist für die Touris da … 

In größeren Märkten oder aber in anderen Regionen ist das anders. Man trinkt Merlot (auch wenn manche dann aus dem Raum gehen), man trinkt aber vor allem Chardonnay oder Cabernet; und das vor allem in den USA. Ein klarer Unterschied zwischen Weineuropa und Weinamerika: auf der anderen Seite des Teiches war die exakte Herkunft eigentlich nie ein Thema. Selbst die teuren Weine werden vor allem über den Markennamen und den Namen des Weingutes vertickert, auch wenn es sich oftmals um Lagenweine handelt. Und wenn da Lagennamen auf dem Etikett prangern, dann ist das eher der spanische Stil: jeder hat seines. Es gibt nur wenige Regionen Spaniens, Bierzo ist vielleicht die fortschrittlichste (aber nur in dieser Hinsicht), in der es Weine der gleichen Lage gibt, gekeltert in verschiedenen  Bodegas. Clos Vougeot und Konsorten sind auf der Iberischen Halbinsel eher weniger präsent. Dazu kommt natürlich ein zweiter Faktor: eine Lage stabilisiert den Preis, gelegentlich auch auf relativ hohem Niveau. Le Montrachet umfasst nun einmal acht Hektar, je vier in Puligny und in Chassagne; Chardonnay kann man im Prinzip in unbeschränkter Menge anbauen.

Der zweite Punkt betrifft die Weingüter. Und dieser Punkt bringt dann schon einmal Kapriolen auf den Tisch, immer so alle zehn Jahre ist da Ausnahmezustand. Meistens machen die Weingüter Unsinn, weil man so in der Presse besser präsent ist. Albariñofass in den Atlantik werfen ist natürlich das Paradebeispiel, aber da gibt es eine ganze Reihe von Beispielen.

Aktuell leben wir in der Phase, in der sich manche Bodegas in eine Art Traubenverquirlzirkus verwandeln oder gleich als solcher starten. Man will dem Konsumenten zeigen, was man mit Trauben so alles anstellen kann. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Ein durchaus nicht wenig berühmtes Weingut aus Frankreich vermischt Trauben aus dem Jura mit Trauben aus dem Elsass. Kann man natürlich machen, ist komplett legal, wenn auch kompletter Shullbit. Natürlich kann man einen Tempranillo aus einer kühlen Ecke der Rioja in Amphoren abkühlen, nett, aber nicht wirklich sinnstiftend. Ganz besonders sind all die Versuche, die sich mit dem Herumspielen an Verdejo beschäftigen. Oxidieren, mit Rappen pressen, lange maischen lassen, nicht entschlammen, super-spät lesen, und dann noch diverse Spielchen mit Amphoren oder Barricas. Kann man alles machen, soll man auch. Aber halt nur als Ergänzung; neunzig Prozent der Produktion sollten sich schon mit dem wirklichen Thema beschäftigen: das Herausarbeiten des Terroir. Wenn dann in dem einen oder anderen Weingut die Nebensache zur Hauptsache, gar zur (Er)Schaffung des Seins dient, dann ist das kein Weingut, sondern ein Traubenzirkus. 

Im Hintergrund steht ja immer die Frage: „Worin unterscheiden sich ein normales Weingut aus dem Burgund von einem großen Weingut aus dem Burgund?“ Nun, beide machen das gleiche, das große Weingut macht es aber wesentlich besser. Oder: Angela Merkel bemerkte einmal, als es um Essen ging, dass sie Kartoffeln bevorzuge, die nicht nur wie Kartoffeln schmecken, sondern auch wie Kartoffeln aussehen. Oui, Madame, Usted tiene toda la razón.

In einem Weingut im Norden von Cebreros gab es zehn Weine zu verkosten. Ein jeder schmeckte total anders, ein jeder war unterschiedlich fabriziert, eine wie auch immer geartete Stilistik der Bodega war nirgends zu erkennen. Noch einmal: das ist komplett legal und, auf gut frenggisch: fer den, der’sch moch, isch et es heggs’de. Ärgerlich wird es allenfalls dann, wenn man sich nicht nur mit fremden Federn schmückt, sondern fremde Federn verunstaltet. Natürlich kann man Rufete in der Sierra de Francia kaufen, das machen diverse Weingüter, selbst welche aus der Nachbarregion Rioja. Aber dann hergehen und sagen, dass der irgendwie entstandene Weine seine Interpretation von Rufete aus der Sierra de Francia sei, das ist dann schon ein heikles Thema.
Aktuell beginnt dieser Traubentanz (mal wieder) in Bierzo, es scheint langweilig zu sein, klassische Mencías gehobener Qualität zu keltern. Das Herausarbeiten von Terroirunterschieden ist natürlich komplizierter als das Hinklatschen von irgendwelchen Effekten (eine Amphorensteuer sollte man gleich nach einer QR-Code-Steuer einführen). Natürlich ist es mühsam, sich mit klassischen, gut gemachten Weinen einen Markt zu schaffen, drei Generationen dauert das schon. Mit Tiefkühlamphoren oder im Mai gelesenen Trauben ist man schneller in der Presse, aber wahrscheinlich auch früher tot (als Unternehmen oder Marke). Die ersten Anbieter von „Orange Weinen“ sehen sich schon einer stark sinkenden Nachfrage gegenüber. Und das ist auch gut so. Ein im Kulinarischen durchaus erfahrener Weinhändler aus Berlin bemerkte einmal, dass ein Koch, der sich an das Spektakel heranwerfe, doch erst einmal lernen solle, eine Entenbrust korrekt zuzubereiten. In der Welt der Weine ist das nicht viel anders. Viele, die meinen, mit Extremweinen gut ankommen zu können, sind schlicht und ergreifend nicht in der Lage, das Terroir einer jeden Parzelle gut schmeckbar herauszuarbeiten. Text: El oso alemán

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