Kulinarisches Märchenland: Eine Entdeckungsreise im Schloss Schauenstein bei Andreas Caminada
Die Schweiz ist wahrlich ein feines Land. Aufgeräumt, verlässlich und verbindlich – hier funktioniert alles wie das sprichwörtliche Schweizer Uhrwerk. Selbst vierzig bis fünfzig Zentimeter Neuschnee über Nacht bringen die Eidgenossen nicht aus der Ruhe. Die Straßen werden verlässlich mit großem, schwerem Gerät geräumt, die Gehwege freigefegt und Autos freigekratzt – und das alles mit einem Lächeln im Gesicht, die eine beruhigende Aura verströmt. Hier fühlt man sich sicher und wohl. Auch in der Gastronomielandschaft wirkt alles noch intakt. Verlässliches und gut ausgebildetes Personal, gute Produkte, die dank des starken Schweizer Frankens zielsicher ihren Weg in die Alpenrepublik finden, sowie handwerkliches Geschick verbunden mit einem feinen Gespür für Innovation, Bodenständigkeit und den nötigen Zeitgeist, sorgen für ein kulinarisches Hochgefühl, wie es nur an wenigen Orten zu erleben ist. So trug es sich im Dezember 2023 auch im Schloss Schauenstein bei Andreas Caminada zu.
Fürstenau, bekannt als die kleinste Stadt der Welt, liegt malerisch in den Hügeln des Domleschgs. Seine Geschichte reicht zurück ins Jahr 1354, als König Karl IV. der Siedlung Stadtrechte verlieh, darunter das Recht auf Gerichtsbarkeit und die Abhaltung von Jahrmärkten. Dieser Status wurde durch die Errichtung einer Burg im Jahr 1272 untermauert.
Die strategische Bedeutung Fürstenaus wuchs mit dem Ausbau des Septimerpasses ab 1387, verschwand jedoch, als die Viamalaschlucht im Jahr 1473 eine alternative Route bot. Trotzdem blieb Fürstenau ein wichtiger Ort für die Bischöfe der Region, auch während der Pestepidemien in den 1620er und 1630er Jahren, die einen erheblichen Teil der Bevölkerung dahinrafften.
Das Stadtbild wird von zwei Schlössern geprägt, die seit dem 17. Jahrhundert existieren. Schloss Schauenstein entstand zwischen 1667 und 1676, während die Ursprünge des Bischöflichen Schlosses mysteriös bleiben. Beide Gebäude wurden 1742 von einem Stadtbrand heimgesucht, doch nur ein Teil von Schloss Schauenstein wurde restauriert.
Carl Ulysses von Stampa erwarb das Anwesen zehn Jahre vor dem Brand. Von 1769 bis 1841 war es im Besitz der Familie von Planta. In dieser Zeit diente Schloss Schauenstein als Erziehungsheim. Die bekannteste Persönlichkeit unter den Besitzern war Peter von Planta, der durch den Handel mit ägyptischer Baumwolle in Alexandria zu Wohlstand kam. Er kaufte beide Schlösser und richtete 1878 das erste Bündner Landspital ein, welches bis 1895 bestand. Interessanterweise brachte er 1877 auch eine Mumie aus Ägypten mit nach Fürstenau.
Heute residiert auf Schloss Schauenstein in Fürstenau einer der begabtesten Köche unserer Zeit: Andreas Caminada. Hier präsentiert er mit seinem aufgeschlossenen und netten Team in einem modernen Ambiente eine Küche, die an so einem Ort zunächst verwundert und irgendwann aber wie in einem Märchenschloss verzaubert.
Schon die als Aperohäppchen bezeichneten kleinen Köstlichkeiten wie das Tartelette mit Caprinello, Kohlrabi mit Ponzu, die Karotte mit Meerrettich, das Cannelloni mit Kräutern und Rauchfisch, der Kopfsalat mit Knusper, das Taco mit Spareribs und das Tomatillo mit Landschwein und Kapuzinerkresse setzen ein erstes Ausrufezeichen an eine grandiose Handwerkskunst mit dem feinsinnigen Gespür für gelungene Kombinationen. Es geht jedoch alles so Schlag auf Schlag, dass im Grunde genommen die ganze Arbeit der Küche hier nicht genug gewürdigt werden kann.
Bei den als Einstimmung bezeichneten Vorspeisen im Schloss Schauenstein überrascht dann das sensible Gespür und der Einsatz von jahreszeitlich angebautem Gemüse auf den Tellern. Saisonal und lokal sind hier nicht nur leere Worte; diese zeitgeistigen Attribute werden hier auch konsequent umgesetzt. Dass der eine oder andere asiatische Einfluss hier noch eingebettet wird, zeigt zugleich den weltoffenen Stil und Weitblick des Hauses. Ob es nun Radicchio, Birne und Topinambur, Felchen mit Begonie und Nussbutter, Sellerie, Kohl plus Steinpilze oder Gyoza mit Ente ist oder das grandiose Sauerteigbrot – alles ist schmackhaft, leicht, verspielt und unheimlich sinnig.
Alle Gerichte haben eine puristische Balance, wirken trotz der auf den Fotos wirkenden „totalen Völlerei“ immer leicht und zeitgemäss. Keine Ecken, keine Kanten, schwebende Transparenz und ein warmer Geschmack verschaffen das nötige Wohlgefühl und den größten Respekt vor so viel kulinarischer Sinnlichkeit und Feingeist.
Dann, weil die Weinkarte sehr gut bestückt war und auch fleißig bestellt wurde, und trotz intensivster Nahrungsaufnahme der Alkohol im Körper irgendwann seinen berechtigten Tribut forderte, ist das sicher sehr gute Dessert etwas untergegangen. Die am Abend vor Ort nicht verspeisten Petit Fours konnten am nächsten Tag aber noch die eine oder andere schöne Erinnerung an diesen traumhaften, ereignisreichen und leckeren Abend aufblitzen lassen. Es war einfach nur ein großes Fest! Danke dafür!
Schloss Schauenstein, Obergass 15, 7414 Fürstenau, Schweiz, Telefon: +41 81 632 10 80, https://www.schauenstein.ch/