Südtirol

Südtirol

Vom Elsass einmal abgesehen gibt es in ganz Europa wohl kein Weinbaugebiet, das so wenig mit den Traditionen des übrigen Landes gemein hat wie Südtirol. Und bei beiden Landstrichen ist der Grund dafür identisch: sie hatten sehr lange Zeit eine andere staatliche Zugehörigkeit. Im Falle von Südtirol war das Mutterland Österreich. Erst 1920 änderte sich das: Österreich stand auf der Verliererseite des Ersten Weltkriegs, Italien auf jener der Gewinner. Die zeitgleich an die Macht gekommenen Faschisten unter Mussolini setzten alles daran, die Südtiroler per Zwang zu assimilieren.

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Im Detail

Südtirol

Das reichte vom Verbot der deutschen Sprache im öffentlichen Leben über die Ächtung althergebrachter Baustile bis zur Ansiedlung tausender italienischer Arbeiterfamilien, um die Südtiroler zur Minderheit im eigenen Land zu machen. Teilweise nahm es geradezu absurde Züge an, wenn zum Beispiel deutsche Inschriften auf Grabsteinen untersagt oder allen geografischen Bezeichnungen, für die es kein althergebrachtes italienisches Äquivalent gab, schlicht und einfach ein -o angehängt wurde, um den Ortsnamen eine romanische Anmutung zu verleihen: aus Meran wurde Merano, aus dem Brenner der Brennero und so weiter. Aus diesem Umbenennungsexzess stammt auch der Name Alto Adige, zu deutsch Etschtal, an dessen Hängen sich der Weinbau zum großen Teil abspielt und der sich alternativ, meist aber lediglich ergänzend zu „Südtirol“ auf dortigen Weinetiketten findet. Zusammen mit Trentino, dem früher ebenfalls österreichischen Trient, bildet es eine Region, die im Norden und Osten an die österreichischen Bundesländer Tirol und Salzburg, südlich an die italienischen Regionen Venetien und Lombardei und im Westen ans schweizerische Graubünden grenzt.

 

So sehr die Bevölkerung unter den Zwangsmaßnahmen litt, so unberührt blieb der Weinbau von alldem: zwar brachen zunächst die historisch gewachsenen Vertriebswege und Absatzmärkte in den Norden weg, es gab jedoch keine nennenswerten Versuche, Reben von weiter aus dem Süden in der nun nördlichsten Region anzusiedeln. Das wäre wahrscheinlich ohnehin schwierig geworden, denn die klimatischen Verhältnisse lassen Sonnenanbeter-Sorten, die sonst in der feuchtwarmen Luft der Adria gedeihen, kaum eine Chance - darüber können auch klimatische Inseln wie das außergewöhnlich milde Meran mit seinen Palmen- und Zedernbeständen nicht hinwegtäuschen. Zwar halten die umgebenden Bergketten allzu kühle Winde und auch einen beträchtlichen Teil der Niederschläge weitgehend fern, dennoch ist das Klima hier keineswegs schon mediterran, sondern noch durch und durch kontinental. Ganz allgemein gesprochen zumindest, denn die unterschiedlichen Lagen, die auf 200 Metern Seehöhe beginnen und sich bis auf 1000 Meter hinauf ziehen, unter einen einzigen Begriff zu subsumieren, wird der Vielfalt der etlichen Mikroklimata nicht gerecht. Teilweise befinden sich blühende Weinberge nur wenige Kilometer Luftlinie von lebensfeindlichen Gletschern entfernt. Und Vielfalt ist nicht nur Grundlage des Klimas, sondern auch der Geologie: als erdgeschichtlich besonders bewegte Region weist Südtirol über 150 verschiedene Bodenprofile auf. Während in den Tallagen Schotter, sandhaltiger Mergel und Dolomitgestein vorherrschen, sind es weiter oben auch verwitterte Urgesteinsböden mit Glimmer, Quarz und Schiefer - auf diese Weise erhalten die Weine ganz unterschiedliche Prägungen, von salzig über rauchig bis zu fruchtig und floral. Alles in allem ein ziemlich breites Spektrum für ein Weinbaugebiet mit gerade einmal knapp 5500 von etwa ebensovielen Winzern bewirtschafteten Hektar, das sich verschwindend klein ausnimmt in einem Land, wo viele andere Gebiete mit knapp sechsstelligen Hektarzahlen aufwarten. Auch wenn die Weinberge um die vorletzte Jahrhundertwende noch doppelt so viel Fläche für sich beanspruchen konnten, sind ihrer Ausdehnung natürliche Grenzen gesetzt: die Hälfte Südtirols ist bewaldet, weitere mehr als 40 Prozent sind Höhenlagen, in denen klimatisch kein Weinbau mehr möglich ist.

Und doch kann sich in diesem Kaleidoskop der verbleibenden zehn Prozent jede Rebsorte eine Nische suchen, die ihre jeweiligen Bedürfnisse am besten befriedigt und ihr Potential optimal zur Geltung bringt. Eher nah an der Talsohle bleibt die bekannteste rote Rebe der Region, der autochthone Lagrein. Alles über 300 Metern ist ihm als Wärmeliebhaber suspekt und seinem Aroma abträglich. Wärme in Südtirol? Auf jeden Fall - mit knapp 2000 Sonnenstunden pro Jahr liegt die Region weit über dem deutschen, aber nur ganz leicht unter dem italienischen Schnitt. Die vorwiegend südöstlich und südwestlich ausgerichteten Lagen fangen das Sonnenlicht dabei bestmöglich ein. Besonders um Bozen herum fühlt der Lagrein sich wohl und legt sich auf den leichten, durchlässigen Böden aus Kies, Sand oder vulkanischem Porphyr seine granatrote Farbe und seinen unverwechselbaren Geschmack zu: vollmundig-schmelzig und würzig, säurebetont und mit durchaus präsenten, aber sehr geschliffenen Tanninen. Noten von Sauerkirschen treten dabei neben jene von Brombeeren, dunkler Schokolade und Veilchen. Galt er früher eher als Massenträger von überschaubarer Qualität, setzte ab den 90ern ein Trend zu teils extremer Ertragsreduktion ein, der eine bemerkenswerte Verdichtung der Aromen zur Folge hatte. Als man diesem „neuen“ Lagrein dann auch noch ein bisschen Fassreife und damit eine unvergleichliche Samtigkeit angedeihen ließ, entstand ein Wein, der aktuell sicher zu den am meisten unterschätzten Roten der Welt zählt.

Wer es ein bisschen leichter mag, ist hingegen mit dem Vernatsch bestens bedient, der auf über einem Fünftel der Fläche kultiviert wird und damit klar Platz eins unter allen Südtiroler Sorten einnimmt. Die Rebe ist autochthon, aber auch in Deutschland bekannt, wo man besonders in Württemberg aus der dort Trollinger genannten Sorte vorwiegend sehr leichte, roséähnliche Weine keltert. Hier in Südtirol geraten sie hingegen etwas gerbstoffbetonter und expressiver, sind aber nichtsdestotrotz früh trinkreif - am besten schmecken sie den Einheimischen zufolge spätnachmittags, leicht gekühlt und von ein paar deftigen Kleinigkeiten begleitet. Dass Easy Drinking also auch mit Rotwein möglich ist, beweisen insbesondere die St. Magdalener, die ebenfalls im warmen Bozner Talkessel gedeihen und mit dem Geschmack von Süßkirschen, Himbeeren und roten Johannisbeeren aufwarten, alles unterlegt von einer feinen Mandelnote.
Wer gern den Vergleich eines Südtiroler Terroirs mit einem einem anderen oder auch einem von außerhalb sucht, dem sei zum Blauburgunder geraten, den man in Deutschland als Spätburgunder und international als Pinot Noir kennt. Als perfekter Terroiranzeiger ist er wie kein anderer geeignet, die feinen Unterschiede zwischen Eppan und Salurn, Kaltern und Montan erfahrbar zu machen. Und als eine der wohl hochwertigsten Reben kann der Blauburgunder auch als Gradmesser dafür betrachtet werden, wie präzise ein Winzer arbeitet, denn empfindlich und dünnschalig wie er ist, verzeiht er keinen Fehler. Alte Reben finden sich oft noch auf der traditionellen Pergel-Erziehung, ein aufwändiges System, das nur von unten gepflegt werden kann, den Trauben aber Schatten spendet und die Verdunstung von im Boden gespeichertem Wasser minimiert.

Dass wir den Rotweinen den Vortritt gelassen haben, wirkt wie eine gönnerhafte Geste der weißen Reben, denn Südtirol ist, für Italien wiederum ungewöhnlich, in erster Linie die Heimat ebensolcher, die 60 Prozent der Weinberge für sich beanspruchen. Das war nicht immer so: Anfang der 70er vereinte allein der Vernatsch fast 70 Prozent der Anbauflächen auf sich, und auch vor 30 Jahren noch galt ganz Südtirol als ausgemachtes Rotweinland. Eine Rebe, die von dieser Veränderung stark profitierte, noch dazu eine von Weltrang, verdankt ihren Namen sogar einem kleinen Südtiroler Ort: der bereits seit dem Mittelalter bekannte Gewürztraminer. Während er in Südtirol seine Fläche innerhalb von 60 Jahren mehr als verzwölffachen konnte und jetzt auf immerhin 620 Hektar gedeiht, räumt man ihm anderswo in der Welt noch deutlich mehr Platz ein: besonders beliebt ist er im französischen Elsass und den USA, aber selbst nach Chile, Südafrika und Israel hat die Rebe mit ihrer markanten, leicht rötlichen Färbung es geschafft. Doch wohl kaum an einem dieser Orte wird er so charakteristisch und komplex geraten wie hier auf den kalkhaltigen Lehmböden, welche die Ertragsschwankungen der eher schwierigen Sorte gut im Zaum halten. An seinem Geschmack, den man nach einmaligem Genuss wahrscheinlich sein Leben lang wiedererkennen wird, scheiden sich die Geister wie an kaum einem anderen Wein: zwar kommt er durch seinen niedrigen Säuregehalt zunächst einmal gefällig daher, die Aromatik von Rosenblüten, Litschi, Bitterorange und Muskat ist aber extrem ausdrucksstark und für manche schlicht zuviel des Guten. Insbesondere zu asiatischer und orientalischer Küche kann er aber eine wahre Offenbarung sein. Kann man ihm etwas abgewinnen, sollte man sich auch seine restsüßen Varianten nicht entgehen lassen: nicht umsonst hat ein solcher, der 2009er „Epokale“ der Kellerei Tramin, als erster italienischer Weißwein überhaupt 100 Punkte bekommen.

 

Neben Gewürztraminer sind es vor allem Pinot grigio und Pinot bianco, also Grau- und Weißburgunder, Chardonnay und Sauvignon Blanc, die hier zur Höchstform auflaufen und Südtirol auch für ein ausländisches Publikum interessant machen, das autochthonen Reben gegenüber eher skeptisch eingestellt ist. Und auch klassisch deutsche Sorten wie Müller-Thurgau, Silvaner, Kerner oder Riesling werden angebaut und geraten in der klaren, kühlen Luft oft geradezu lehrbuchmäßig sortentypisch. Eine ausgesprochen wichtige Rolle in der Herstellung alljener spielen die zwölf großen Genossenschaften: fast drei Viertel der Gesamtproduktion gehen auf ihr Konto, man erkennt ihren Wein an den Wörtern „Kellerei“ oder „Cantina“ auf dem Etikett. Etwaige Vorbehalte lösen sich schnell in Luft auf, wenn man sich klar macht, dass über 98 Prozent aller Südtiroler Weine DOC-Status besitzen, mehr als irgendwo sonst in Italien. Genossenschaftliches Arbeiten ist hier also nicht allein die Möglichkeit vieler Nebenerwerbswinzer, die Erzeugnisse ihrer kleinen Parzellen an den Mann bringen zu können, sondern ein wahrer Innovationsmotor, ausgestattet mit höchstem Know-how und Kellertechnik auf dem allerneusten Stand. So ziemlich jede Genossenschaft hat darum auch einen oder mehrere Premium-Weine im Angebot, für die dreistellige Preise aufgerufen werden. Und davon profitieren wiederum die beteiligten Winzer: ihre Vergütung liegt im Schnitt beim Dreifachen dessen, was ihre deutschen Kollegen erhalten. Auch deswegen kommen Südtiroler Weine meist etwas etwas teurer daher in der allgemein recht preisgünstigen Weinnation Italien. Hauptkostentreiber sind aber nach wie vor die für das Land sonst unüblichen, oft sehr steilen Lagen, die meist terrassiert werden müssen, um darauf überhaupt wirtschaftlich arbeiten zu können. Kommt wie im Eisacktal oder im Vinschgau auch extreme Höhe dazu, wird es entsprechend noch komplizierter.

Die außergewöhnliche Eignung der Böden für den Weinbau erkannte man schon sehr früh. Dem vielleicht bekanntesten Südtiroler, der Gletschermumie Ötzi, wird sie noch nicht bekannt gewesen sein, aber spätestens dem Stamm der Räter vor über 2500 Jahren. Lange konnte es deshalb nicht dauern, bis im 1. vorchristlichen Jahrhundert aus dem Süden die Römer heranrückten und sich die Region einverleibten. Wahrscheinlich kamen sie, die Wein vor allem in Tongefäßen und Lederschläuchen aufbewahrten, hier zum ersten Mal mit Gebinden aus Holz in Kontakt, wie sie vor allem bei den Kelten verwendet wurden. Sich technologisch gegenseitig befruchtend, gelangte die Südtiroler Rebenzucht so zu einer ersten Blüte. In den unruhigen Zeiten der Völkerwanderung ging es dann, wie eigentlich im gesamten europäischen Weinbau, zunächst wieder abwärts: die durchs Land streifenden Langobarden und Bajuwaren kelterten, wenn überhaupt, nur auf einem sehr niedrigen Niveau. Erst als im frühen Mittelalter Klöster aus Bayern und Schwaben Flächen in diesem Teil der Alpen erwarben, stabilisierte sich die Lage wieder: der Rebensaft gelangte zu überregionaler Bekanntheit, auch weil er strategisch günstig an der Hauptroute zwischen dem Heiligen Römischen Reich und Reichsitalien lag, die jeder Kaiser nehmen musste, der sich in Rom vom Papst krönen lassen wollte. Auch die Machtübernahme der Habsburger, die diesen Teil der Grafschaft Tirol in der Folge über ein halbes Jahrtausend lang regieren sollten, wirkte sich positiv aus: sie erließen auf dem Fuße einen Importstopp für italienische Weine, der lange Zeit inkraft blieb und wohl mit einer der Gründe für das unverfälschte weinbauliche Erbe der Region ist. Als sich dieses jedoch irgendwann als Hemmnis erwies, durch das Südtirol den Anschluss an die Moderne zu verlieren drohte, war wiederum Österreich zur Stelle. Erzherzog Johann, der große Erneuerer der Steiermark, sorgte dafür, dass sich die Winzer für neue Sorten öffneten: seit den 1840ern ergänzten Burgunderreben und Riesling das klassische Portfolio, in den 1890ern, nach den Erfahrungen der Mehltau- und Reblausplage, gesellten sich dann auch Bordeauxreben wie Merlot und Cabernet hinzu.

Die Wurzeln des durch eine Periode des charakterlosen Massenweins angeschlagenen, aktuell aber wieder exzellenten Rufs Südtiroler Weines liegt in den 70er Jahren: damals führte man die noch heute verbindlichen geschützten Herkunftsbezeichnungen „Südtirol“ und „Kalterersee“ ein, womit man hier schon deutlich früher über die noch relativ neuen DOCs verfügte als andere italienische Weinbaugebiete. Ein Zeichen guten Willens aus Rom? Möglicherweise, denn die 70er standen allgemein im Zeichen der Entspannung zwischen der Regierung und der widerspenstigen Region im Norden. Zwar war schon direkt nach dem Zweiten Weltkrieg festgelegt worden, dass Österreich fortan wieder als Schutzmacht fungieren sollte, aber die separatistischen Kräfte gewannen in der Folgezeit starken Auftrieb: eine Reihe von Bombenanschlägen erschütterte die Region, die in der berüchtigten Feuernacht 1961 ihren Höhepunkt fand. Sogar bis vor die Vereinten Nationen gelangte die Causa, bis Italien nachgab und weitgehende Autonomie zusicherte. Heutzutage ist Südtirol, wo nach wie vor über 60 Prozent der Menschen Deutsch als Muttersprache angeben, dank der Hoheit in Budgetangelegenheiten eine der reichsten Regionen Italiens. Und kann als mit dem Nordteil zwar nicht faktisch, aber kulturell wiedervereinigte Europaregion, die auch in Brüssel eine gemeinsame Vertretung unterhält, ungehindert grenzübergreifende Projekte realisieren.

Nicht nur im Bereich Wein, auch bei sonstiger Kulinarik tun sich große Unterschiede zum Rest Italiens auf. Pasta im eigentlichen Sinne kennt man hier nicht, stattdessen orientiert man sich eher an klassisch österreichischen Gerichten wie Schupfnudeln. Am ehesten haben wahrscheinlich noch die berühmten Schlutzkrapfen Ähnlichkeit mit italienischer Machart - sie erinnern mit ihrer deftigen Füllung an Ravioli. Ihre Hauptzutat ist Mehl, das, aus Weizen, Roggen oder Dinkel gemahlen, früher auch die Grundlage diverser Grützen und Suppen bildete und heute vor allem für gehaltvolle Brote wie das Vinschgauer und die aus der österreichischen Küche übernommenen, sehr variantenreichen Süßspeisen wie diverse Krapfen, Strudel und Knödel verwendet wird. Daneben kann vor allem auf tierische Erzeugnisse zurückgegriffen werden, denn die Viehwirtschaft hat seit der Antike Tradition und das Jagen meist obsolet gemacht. Neben Käse und Wurst ist das vor allem Schmalz, das man nicht nur aufs Brot streicht, sondern auch zum Anbraten, Frittieren, Würzen und Konservieren nutzt. Apropos, eine Gemeinsamkeit vieler Produkte ist ihre lange Haltbarkeit: Kohl wird zu Sauerkraut verarbeitet, das bekannte Schüttelbrot enthält so gut wie keine Feuchtigkeit mehr und Fleischerzeugnisse werden nicht selten geräuchert - all dies Relikte aus einer Zeit, als während der langen Winter viele Straßen durch Schneefall unpassierbar wurden und man sich in den von der Außenwelt abgeschnittenen Tälern entsprechend bevorratet haben musste. Will man die optimale Kombination aus authentischen, typischerweise eher unkomplizierten Speisen und Wein genießen, besucht man am besten das Törggelen. Das etablierte sich ursprünglich im 19. Jahrhundert als die Gelegenheit für erholungsuchende Städter, im Spätherbst nach dem „Wimmen“, der Weinlese, mal raus aufs Land zu fahren und dort den gerade leicht angegorenen Most, den man hier „Siaßen“ nennt, oder den als „Nuien“ bezeichneten Jungwein zu verkosten. Damals fand es noch recht bescheiden-pragmatisch direkt im Presshaus statt, seit dem Beginn des Südtiroler Tourismus-Booms in den 70ern jedoch hat es sich zu einer echten Institution gemausert, vergleichbar mit der österreichischen Heurigenkultur.  Wie in alter Zeit werden manchmal noch „Keschtn" und „Nussn", also heiße Maronen und Nüsse zum Wein gereicht. Ist der Hunger größer, bestellt man sich typischerweise eine Marende, die Südtiroler Version der überall im Alpenraum verbreiteten Brotzeit, die mit einer deftigen Kombination aus Essiggurken, Speck, Kaminwurzen, Bergkäse und anderen traditionell hergestellten Köstlichkeiten aufwartet. Spitzengastronomen wie der mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Norbert Niederkofler haben dabei in den vergangenen Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass alpine Küche keineswegs eintönig und bäuerlich daherkommen muss. Niederkofler verfolgt mit seiner „Cook the mountain“ benannten Herangehensweise ein radikal regionales Konzept und verzichtet in der Folge auf alle nicht heimischen Lebensmittel: er nutzt etwa keine Zitrusfrüchte und - anderswo in Italien völlig unvorstellbar - auch kein Olivenöl. Stattdessen wird jedes Produkt bis auf den letzten Krümel verwertet. Was heute oft großspurig als „Zero Waste“ daherkommt, war für die Südtiroler damals eben schlichte Notwendigkeit - was von Niederkofler auch dadurch gewürdigt wird, dass er sich während der Winterzeit, wenn die meisten Produkte keine Saison haben, mit zur rechten Zeit eingemachten Konserven behilft.

Ein Weinbaugebiet, das auf nicht einmal ein Prozent der italienischen Gesamtrebfläche und -produktion kommt, sollte eigentlich kaum beachtenswerte Akzente setzen können, möchte man meinen. Und doch ist hier an Etsch und Eisack eines der unbestrittenen qualitativen Zentren des Landes entstanden, in welchem einige der besten Weißweine gedeihen, die man zwischen Alpen und Sizilien überhaupt finden kann. Anders als in anderen Regionen fokussiert man sich nicht bloß auf eine Handvoll Rebsorten, sondern auf ganze 20. Kann man da überhaupt den Überblick behalten? Man kann, denn in nur sehr wenigen Weinbaugebieten wird man durch liebevoll gepflegte Internetauftritte so gut an die Hand genommen wie hier in Südtirol. Überhaupt liegt das Erfolgsgeheimnis der Region wahrscheinlich im hochprofessionellen Marketing, das sowohl Weinkenner als auch normale Touristen anzusprechen weiß und ein reiches, aber nicht immer leicht zugängliches Erbe charmant vermittelt. Denn während die Skigebiete in den Dolomiten oder dem Ahrntal ebenso wie die zahlreichen Apfelsorten der Region vielen Deutschen noch ein Begriff sind, haben die meisten noch nie einen Südtiroler Wein oder gar Sekt (ja, die gibt es auch!) getrunken. Dabei sollte man das unbedingt, wenn man denn an einen herankommt, denn bloß ein Drittel von ihnen gelangt überhaupt ins Ausland. In diesem Schmelztiegel, wo österreichische Gastfreundschaft auf italienische Ungezwungenheit trifft, alpine Höhenluft von den ersten mediterranen Anmutungen durchwoben ist und sich bäuerliche Tradition und technikaffiner Zukunftsoptimismus die Hand reichen, wird man womöglich auf Weine treffen, die geschmacklich unkonventionell sind, herausfordernd oder sogar wirklich umstritten. Nur auf eines wird man garantiert nicht treffen: schlecht gemachte Weine. Die sind in der Südtiroler Philosophie einfach nicht vorgesehen.

 

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