Maskenfreie 2020 Bären-summer-school – l’Alt Empordà

Jetzt aber: aaaaalle-Lunya

Spricht man waschechte Katalanen jedweden Geschlechtes auf das Thema an, dann endet das immer mit der gleichen Phrase: „La paraula eterna“ Das unendliche Versprechen. Und in der Tat lebt l’Alt Empordà gut damit und davon, was es eigentlich sein könnte, nicht, was es derzeit ist. Wobei das „derzeit“ schon große Fortschritte gemacht hat im Vergleich zu den „derzeit“ von vor zwanzig Jahren.

l’Alt Empordà ist nicht die Wiege des spanischen Weinbaus, die Phoenizier kannten diesen Teil der Küste nicht. Erst die Griechen, vor allem aber die Römer machten Emporiae zu einem Weinhandelsplatz: Schiffe wurden mit Amphoren voll mit Wein beladen und gen Ostia geschickt, Reben wurden professionell kultiviert, man brachte der Region Zivilisation bei.

Die wirklich große Zeit der Region begann, als die Süßweine aus Garnacha und Cariñena zu gefragten Produkten wurden. Beide Seiten der Pyrenäen waren berühmt für die „vins doux naturels“. Aufgrund der klimatischen Gegebenheiten war und ist der Süden, also l’Alt Empordà, im Vorteil, die Trauben reifen besser aus, Rebkrankheiten kannte man im siebzehnten und am Anfang des achtzehnten Jahrhunderts nicht. Selbst Mehltau und Oidium schufen kaum Probleme, die gute Durchlüftung der Region, l’Alt Empordà ist via Bucht von Roses offen zum Mittelmeer, reduzierte den Befall drastisch. Dann fand die Reblaus einen der Schmugglerwege zwischen Frankreich und Rabós d’Empordà. Danach kam der Weinbau erst einmal zum Erliegen.

Die Situation beruhigte sich jedoch schnell, da das Hinterland, Girona und Figueres sind durchaus große Orte, und die Ferienregion Costa Brava den Konsum förderten, und Restkatalonien ist weit weg. Der regionale Markt ist für den Großteil der Bodegas noch heute der wichtigste Absatzkanal, Joan Fabra (Celler Marti Fabra) keltert etwa neunzigtausend Liter Wein, neunzig Prozent wird in der Region konsumiert. Es gibt viele Restaurants der gehobenen Klasse und einige Sternetempel, Empordà ist vor allem ein Urlaubsziel für Individualreisende, die eher bereit sind, mal ein paar Euro mehr für eine ordentliche Flasche Wein auszugeben. Die Einheimischen sind ebenfalls genussfreudig eingestellt, der lokale Markt funktioniert.

Der lokale und regionale Markt, das ist die Kehrseite der Medaille, fragt jedoch nicht wirklich nach, internationale Weinstile und internationale Rebsorten sind deutlich überrepräsentiert. Garnacha und Cariñena findet man, vor allem an den Hängen im Norden und im Osten, im Flachland hingegen dominieren Cabernet, Merlot, Macabeo und   etwas Chardonnay, wobei die traditionellen Sorten insgesamt schon etwa siebzig Prozent der Gesamtrebfläche von etwa achtzehnhundert Hektar ausmachen.

Oft hört man, dass l’Alt Empordà eine Art Gegenpol zum Priorat darstelle. Dies ist nur bedingt richtig. Zwar ist offensichtlich, dass Cariñena und Garnacha in beiden Regionen dominieren, das war es dann aber auch schon. Denn in l’Alt Empordà befinden sich die besten Parzellen an den Füßen der Pyrenäen, fast noch auf Meeresniveau oder aber an den Hängen im Osten, hinter denen das Cap de Creus lauert. Granit gibt es dort nur an wenigen Stellen, eigentlich nur an den Hängen zwischen Capmany (gesprochen Capmayn) und Sant Climent Sescebes, danach beginnt schon Schiefer, erst schwarz, bis Rabós, dann ölig braun bis fast gen Roses. Im Westen, westlich von Capmain, stehen die Reben auf Kalkmergel, im Zentrum auf Schwemmland. Alles ist durchaus verschieden, anders als im Priorat, wo Reben nur auf Schiefer stehen.

Climent: Alte Weinberge, vielleicht die beste Weißweinecke der Region.

Es gibt keine alles überragende Ecke in l’Alt Empordà, überall an den Hängen und selbst an einigen Stellen im Flachland kann man gute bis sehr gute Qualitäten ernten. Die Hänge haben den Vorteil, dass dort noch viel altes Rebmaterial steht, die Parzellen sind für maschinelle Bearbeitung nur bedingt geeignet, außerdem gab und gibt es ja im Flachland genug Platz, um Reben zu kultivieren. Deswegen gibt es heute in den Cooperativen aus Espolla und Garriguella sowie in Weingütern wie Olivardots, Martí Fabra, Roig Parals oder Pujol Cargol Garnacha und Cariñena von alten Anlagen. Natürlich gibt es auch viel eher belangloses Getränk, eine Großcooperative und mehrere Handelshäuser sind für diese Weine verantwortlich.

Garriguella, Celler Gerisena, alte Weinberge. Die Reihenabstände sind zu eng für Traktoren, daher entfernte man jede fünfte Reihe, so kann man immer zwei Reihen von links und von rechts bearbeiten.

Neue Projekte leiden oft an latenter Selbstüberschätzung, man meint gerne, dass die Akzeptanz auf dem lokalen Markt ein Fingerzeig auf die Akzeptanz auf dem globalen Markt sei. Oliver Contí war so ein Beispiel: man versuchte, eine Bordeaux-Kopie zu installieren, glaubend, dass die Konsumenten Bordeaux-Stil, aber halt billiger, aus Empordà kaufen würden. Ging schief, heute gehört Oliver Contí zum Perelada-Konzern. Espelt ist eine relativ große Bodega, wenn man die Tanks eng zusammenrückt, dann kann man dort durchaus eine Million Liter Wein keltern. Nur: die Nachfrage war nie da, nicht einmal für die Hälfte der Produktion. Heute ist das vor allem eine Auftragskellerei für den Perelada-Konzern.

Natàlia Duran und Lluis Masana von Celler Gerisena haben wohl noch Gesprächsbedarf,

Überhaupt: Castillo Perelada. Man kann nicht über l’Alt Empordà reden ohne über diese Bodegagruppe zu reden. Sie hat ihren Sitz in Peralada (Bodega mit „e“, Ort mit „a“), dort steht auch das Schloss, in dem inzwischen ein Sternerestaurant auftafelt. Es gibt viele kulturelle Aktivitäten, und eben die Großbodega, die neben Cava (in Vilafranca del Penedès) und dem weißen Tafelwein Blanc Pescador (mit über vier Millionen Flaschen jährlich einer der zwei meistverkauften Weißweine Spaniens) auch einen Bodegakomplex in Empordà betreibt: Castillo Perelada als Hauptsitz, die Cooperativa in Mollet de Peralada als Produktionsort und Comercial Vinícola del Nordest als Lagerbodega. Perelada selbst, die Genossen der Cooperative und diverse unabhängige Weinbauern, da kommt viel Rebland zusammen. Die eigenen Parzellen werden vor allem für die Lagenweine der Bodega genutzt. Finca Espolla (Syrah und Monastrell), Finca Garbet an den Steilhängen an der Küste (vor allem Syrah, etwas Cabernet Sauvignon), Malaveïna (Lehmboden, internationale Sorten), Pont de Molins und Cormes, das sind die Vorzeigeweine der Bodega. Natürlich ist das nicht deren Hauptgeschäft, dafür dienen die Einstiegsweine der Bodega. Ein Spezialprojekt sind die Ex-Ex-Weine, experiencia exceléncia: in jedem Jahr gibt es einen Experimentalwein, immer nur in kleiner Auflage. Ab und an dient er der Vorbereitung von anderen Weinen, ab und an will man einfach sehen, wie sich Weine einer bestimmten Sorte, einer bestimmten Herkunft, einer bestimmten Ausbauart entwickeln, ohne die Verpflichtung einzugehen, diese Weine dann immer zu keltern. Man lässt sich das gut bezahlen, in der Top-Gastronomie in Catalunya sind diese Weine breit vertreten. Delfí Sanahuja, Weinmacher und technischer Direktor in Castillo Perelada, hat einen guten Ruf, er versteht sein Handwerk durchaus gut.

Camí de Cormes: ¿Empordà Grand Cru?

Jenseits von Perelada ist der Markt zweigeteilt: es gibt die größeren und großen Betriebe, die vor allem Mainstream herstellen, belanglose Weine, die gerne in belanglosen Restaurants oder belanglosen Kneipen gereicht werden. Empordalia, das Handelshaus Trobat, Oliveda, Mas Llunes oder masetplana sind die wichtigsten Vertreter dieser Kategorie, Espelt gehört da letztendlich auch hinein. Diese Betriebe haben ihre Vertriebskanäle, letztendlich verkaufen sie alle über den Preis, die Scheuer muss leer sein bevor die nächste Ernte hereingeschaufelt wird. Diese Bodegas kann man aber ganz gut umgehen.

Denn es gibt in l’Alt Empordà auch ein paar handwerklich orientierte Bodegas, die gute Weine keltern. Wie so oft, gibt es auch hier einen Zielkonflikt: man will verstärkt mit Garnacha und Cariñena arbeiten, erntet aber spät, was hohe Alkoholwerte zur Folge haben kann. Nicht wirklich hilfreich auf Märkten, in denen gerade frische Weine gefragt sind. Anders als in anderen Regionen von Catalunya lässt sich dieser Zielkonflikt lösen: man kann deutlich früher lesen, ohne Gefahr zu laufen, grüne Weine zu präsentieren. Man kann ein klein Wein mit geringerem Alkoholgehalt nutzen, Cabernet Sauvignon oder Syrah in kleinem Umfang können helfen, manche weiße Sorte auch. Man kann die Maischestandzeiten verkürzen, man kann Barricas durch Zementtanks oder große Holzgebinde ersetzen, und in manchen Bodegas ist dieser Prozess voll im Gange.

l’Alt Empordà ist aktuell nicht die Gegend für Weine zu schwindelerregenden Preisen, Finca Garbet verkauft sich, weil Perelada jede Menge Aufwand hineinsteckt, die andere Lagenweine dieser Bodega haben durchaus irdische Preise, teure Weine anderer Bodegas verkaufen sich nur, wenn ahnungslose Touristen mit dicken Brieftaschen des Sonntags zur Matinee in die Bodega pilgern, oder aber weil die Hipsterbodega *lavinyeta in Barcelona mal wieder die Hipster zum Hipsterhappening ruft. Internationalen Markt generiert man so nicht. Es gibt aber viel guten Wein zu ordentlichen Preisen, der durchaus die Herkunft widerspiegelt.

Neugründungen von Bodegas gibt es eher wenige, und wenn, dann sind das bessere Hobbykellereien, die Extra-Einnahmen generieren, aber nicht die Hauptaktivität der Eigentümer darstellen. Die besten Ergebnisse findet man dort, wo Weinmacher auf internationale Klientel treffen. Vinyes d’Olivardots ist so ein Fall, Roig Parals geht auch in diese Richtung, Vinyes dels Aspres ist ebenfalls ein Vertreter dieser Gattung: man versucht, ausgewogene Weine zu keltern, oftmals gelingt das auch. Dann und wann trifft man dort aber auch auf Weine, die zu viel Barriquereife abbekommen haben, der Lernprozess ist noch lange nicht abgeschlossen.

Die Bodenstruktur im Osten von Garriguella.

Das aktuell wohl interessanteste Projekt ist Celler Gerisena, dies ist ein Teil der Cooperative aus Garriguella. Dort hat man Weinberge ausgelagert, etwa dreißig Hektar, alle am Hang gelegen, die Reben stehen auf braunem Schiefer, die Weine werden getrennt von den anderen Weinen der Genossenschaft ausgebaut. Terroir, überwiegend klassische Rebsorten, schonender Ausbau, vernünftige Preise, so präsentiert sich dieses Teilweingut derzeit. Aber auch die normalen Weine der Bodega sind durchaus nicht schlecht, Natàlia Duran hat lange Zeit bei Delfí Sanahuja gearbeitet, da ist viel hängen geblieben. Außerdem schaut sie schon gerne mal bei Weinen von der anderen Seite der Pyrenäen etwas tiefer ins Glas.

Die Weine sind gut, manche sogar sehr gut. Leider rümpfen viele Konsumenten die Nase, sobald sie das Wort Genossenschaft auch nur hören. Das sollte aufhören, es gilt Wein nach dem zu beurteilen, was in der Flasche ist und nicht pauschal nach der Betriebsform.

Die andere Cooperative, die aus Espolla, ist auch nicht schlecht, kommt aber an das Niveau der Garriguella-Weine noch nicht heran. Hier gibt es das Projekt Vins de Postal, die Etiketten stellen eine Art Postkarte dar. In jedem Jahr wird eine andere Parzelle ausgewählt, um einen Postkartenwein zu keltern. Für die Socios ist das gut, denn dann ist da (fast) jeder einmal dran. Für den Handel ist das eher kompliziert, da es keine direkten Nachfolger des Folgejahrgangs gibt. Aber auch hier ist man auf einem guten Weg.

Und die Süßweine? Nun, hier gibt es ein zweigeteiltes Problem. Die Qualität der Produkte ist nicht das Problem, der Sol i Serena von Espolla wird vor allem im Restaurant Can Roca verkauft, Jordi kauft immer die Hälfte der Produktion. Die andere Hälfte indes verkauft sich nur schleppend. Konsumenten sind bereit, für die gleiche Qualität viel mehr Geld auszugeben, wenn das Produkt von der Nordseite der Pyrenäen, aka Frankreich, kommt. Süßweine aus l’Alt Empordà haben gefälligst billig zu sein. Aber auch das ist keine Garantie, die meisten Süßweine werden direkt ab Bodega an Touristen verkauft, im Handel und in der Gastronomie jenseits der Region findet man die Produkte eher nicht. Dies liegt natürlich daran, dass die Verkäuferinnen und Verkäufer der Bodega nicht wirklich verkaufen können.

Hier ist der Markt kleiner: die Cooperative aus Espolla, die aus Garriguella (mit jämmerlich bescheidenen Preisen für den ambre und den ruby), Pere Guardiola, Martí Fabra. Natürlich gibt es viel mehr, aber oft ist das Ergebnis mehr gewollt denn gekonnt.

l’Alt Empordà steht anders da als Conca de Barberà, anders als Costers del Segre und anders als Terra Alta, man ist viel weiter. Man ist immer kurz davor, den wirklichen Durchbruch zu schaffen. Aber da ist man nun schon zwei Jahrzehnte lang, wenn nicht länger. Und ewig währt das versprechen. Text: el oso alemán


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